St. Bonifatius Wiesbaden

„Alle Jahre wieder...“

GemeindebriefAutor

Kinder haben es mit Weihnachten leichter: Für sie hat das Fest nichts Gewöhnliches an sich. Die jährliche Wiederkehr ist noch nicht zur Gewohnheit geworden; das Fest hat sich noch nicht abgenutzt.

Für manche Erwachsenen ist aber genau letzteres bereits eingetreten. „Alle Jahre wieder“ bedeutet für nicht wenige, dass jetzt der unliebsame Weihnachtsstress auf uns zukommt: Weihnachtsgeschäft, Weihnachtsmärkte, Wunschzettelfieber, Einkäufe tätigen, Weihnachtspost erledigen, Weihnachtsputz, Weihnachtsbaum, Weihnachtsschmuck, Weihnachtsbeleuchtung, Weihnachtsessen, Weihnachtsgebäck, Weihnachtsbesuche bei der Verwandtschaft, die oft verbunden sind mit einem ins Perfektionistische gesteigerten Harmoniedruck, Weihnachtsfeiern lange vor Weihnachten im Betrieb, in der Firma, im Verein mit Strömen von heißklebrig süßem Glühwein…

So nutzt sich Weihnachten ins Äußerliche und Oberflächliche ab. Man kann heute so aufwendig Weihnachten feiern, ohne das eigentliche Weihnachten zu feiern. Viele sind am Weihnachtstag dann schon so erschöpft und müde von „Weihnachten“, dass sie froh sind, wenn es vorbei ist…  - Dabei hat es gerade erst begonnen.

Und dann gibt es noch die anderen, denen dieses „Alle Jahre wieder“ zur Last wird, weil es diesmal eben nicht wie alle Jahre wieder ist: Diejenigen, die ganz anders Weihnachten feiern müssen als all die Jahre davor, weil sie krank oder einsam geworden sind, weil es Brüche in ihrem Leben gegeben hat oder weil sie einen lieben Menschen verloren haben und diese Wunden am Weihnachtsfest sichtbar werden.

Da gilt es, jenen kindlichen Blick zurückzugewinnen, von dem eingangs die Rede war, jenen Blick, der frei ist von jeder Abnutzung. Es ist der Blick, der das Eigentliche von Weihnachten in Augenschein nimmt: Gott ist Mensch geworden! Das ist ganz und gar außergewöhnlich – und bleibt auch außergewöhnlich. Mit diesem Kind in der Krippe ist Gott gekommen. Das ist das, was wir an Weihnachten feiern. Mit diesem Jesus ist der unbedingte Anspruch zur Gottes- und Nächstenliebe in die Geschichte eingeschrieben worden, hinter den seither niemand mehr zurück kann. Mit diesem Jesus ist die Haltung der Vergebung und des Neuanfangs gekommen. Mit diesem Jesus ist die Ewigkeit gekommen.

Die großen Denker aller Epochen haben darum gewusst: Es gibt keine wahre Menschlichkeit ohne Liebe und ohne Vergebung. Es gibt keine wahre Menschlichkeit ohne eine letzte Gerechtigkeit über dieser Welt und ihrer Geschichte, ohne eine letzte Barmherzigkeit und ohne einen alles umgreifenden Sinn von Welt, Geschichte und Mensch. Und letzteres gibt es nicht ohne die Ewigkeit, die Gott allein schenken kann.

Wo Gott menschlich geworden ist, öffnet er die Welt für die wahre Menschlichkeit. Wo Gott in die Welt gekommen ist, öffnet sich für den Menschen der Himmel. Das feiern wir an Weihnachten. Und das ist wirklich ein Grund zum Feiern – alle Jahre wieder!

Ich wünsche allen, dass sie den Blick für das Außergewöhnliche und Große des Weihnachtsfestes wieder gewinnen. Um diesen Blick wieder zu gewinnen, gilt gerade für den Advent: Weniger ist mehr! Es gilt, das ganze Weihnachtsdrumherum mit all seinen Banalitäten einmal hinter sich zu lassen, um dann frei davon, mit dem Blick in die Krippe zu erkennen, dass Gott uns mit einem menschlichen Herzen liebt. Möge dieser wahre weihnachtliche Blick uns verwandeln, damit auch unser Herz neu für Gott und die Menschen beginnt zu schlagen.

So wünsche ich Ihnen allen auch im Namen unseres Pastoralteams einen ruhigen Advent und ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.

Klaus Nebel, Pfarrer