Serie: Die Messe verstehen – Eucharistisch leben (5)
Leonardo da Vincis bekanntes Fresko des letzten Abendmahls ist in vielfacher Hinsicht spannend. Wie ein Schnappschuss hält es jene Szene fest, als Jesus den Jüngern eröffnet, dass einer von ihnen ihn verraten wird. Aufgeregt diskutieren alle, wer das wohl sei. Durch den leeren Teller vor ihm wird Jesus selbst als Paschalamm vorgestellt (vgl. 1 Kor 5,7).
Gestik und Mimik des Erlösers sind vom Künstler bewusst gewählt: Mit der einen Hand scheint Jesus etwas zu greifen, mit der anderen Hand gibt er. Sein Mund ist leicht geöffnet. Damit sind drei Handlungen Jesu beim Abendmahl ins Bild gesetzt, die auch die drei Teile der eucharistischen Liturgie prägen: Er nimmt Brot und Wein (Gabenbereitung), spricht den Lobpreis (Hochgebet) und gibt seinen Leib und sein Blut (Kommunion). Wie der sprechende Jesus im Zentrum des Bildes steht, bilden die Einsetzungsworte das Zentrum der Eucharistie. Das Hochgebet ist „Mitte und Höhepunkt der ganzen Feier“, sagt die Grundordnung des Messbuchs.
Die eigene Teilnahme erreicht dagegen beim Hochgebet womöglich einen Tiefpunkt. Da die Texte immer dieselben sind, schaltet man leicht ab. Scheinbar ist ja – abgesehen von den Akklamationen – nur der Priester tätig. Erst die Kommunion mit dem anschließenden Gebet wird von vielen als persönlich dichte Begegnung empfunden. In der Tat haben wir eine Kommunionfrömmigkeit. Doch so gut es ist, dass vielen die Kommunion wichtig ist: Es gilt, eine Spiritualität des Hochgebets neu zu entdecken, das heißt den Reichtum und die Tiefe des Hochgebetes herauszuhören, ja mehr noch: an diesem Reichtum zu partizipieren. Denn wir nehmen dabei Teil am Lobpreis Christi, am Gesang der Engel, an der Wandlung, an der Hingabe Christi, an seinem Sterben und Auferstehen, an der Gabe des Heiligen Geistes, am Gebet der Kirche. Auch wenn der Priester das Hochgebet allein im Namen der Gemeinde vorbetet, ist es in der Wir-Form formuliert, denn es soll von allen mitgebetet werden. Teilnahme beginnt mit dem bewussten Hören – und dem inneren Mitsprechen.
Aus: Marco Benini, Brannte nicht unser Herz? Die Messe verstehen. Eucharistisch leben. Freiburg/Br: Herder 2024, S. 83 f., In: Pfarrbriefservice.de