Menschen trauern sehr unterschiedlich. Der eine laut, der andere leise. Der eine in der Öffentlichkeit, der andere in der Stille. Der eine nach innen, der andere nach außen.
„Nein – das kann nicht sein!“, schrie sie laut, als der Polizist ihr mitteilte, dass ihr Sohn mit dem Auto tödlich verunglückt sei. Er war noch keine 20 Jahre alt. Sie weinte und weinte. Immer wieder schluchzte sie laut. Immer wiederholte sie dieses „Nein“. Und auch in den nächsten Tagen und Wochen, wenn sie mit Angehörigen, Freunden und Nachbarn sprach, brach der ganze Schmerz aus ihr heraus. Tränen – Schreie – Schluchzen.
Nur ihr Mann blieb ganz stumm. Kein Wort, keine Träne, kaum eine Gefühlsregung. Als der Polizist die Nachricht überbrachte, ist in ihm etwas zerbrochen – etwas gestorben. Er ist wie gelähmt, möchte niemanden sehen, nicht reden, nichts hören. Oft sitzt er in seinem Sessel und starrt die Wand an. In ihm ist alles leer.
„Du trauerst ja gar nicht“, sagt ihm dann seine Frau. „Du bist so kalt!“ Das tut ihm weh. Ein Freund kommt ihn besuchen. „Du musst mal raus hier!“. Keine Antwort. „Komm, lass uns wenigstens ein paar Schritte spazieren gehen!“. Keine Antwort. Er nimmt sich einen Stuhl und setzt sich daneben. Beide starren die Wand an – gemeinsam. Zwei Stunden sitzen sie so da. Keiner sagt ein Wort. Aber sie schauen in dieselbe Richtung. Das tut gut! Sie trauern. Sie trauern anders.
Wir alle trauern unterschiedlich. Jeder von uns. Der eine laut, der andere leise. Der eine zerbricht, der andere wird aggressiv. Der eine braucht das Gespräch, der andere körperliche Bewegung, ein Dritter nur Stille. Der eine möchte oft zum Friedhof, für den anderen ist der Gang ans Grab unerträglich. Der eine möchte eine große Abschiedsfeier, beim anderen soll alles „in aller Stille“ geschehen. Der eine betet, der andere (genauso gläubig) kann in diesem Moment nicht beten. Gerade innerhalb von Familien ist es schwer auszuhalten, wenn der andere so ganz anders trauert. Aber: Jeder trauert anders.
Schwierig wird es, wenn einer dem anderen erklärt, wie man „richtig“ trauert. Was für den einen richtig ist, ist oft für den anderen falsch. Uns bleibt nur, den anderen in seinem „Anders-Trauern“ zu akzeptieren. Und wenn ich seine Art zu trauern annehme und respektiere, wird ihm das helfen, seine Trauer zu bearbeiten.
Auch das Umfeld Jesus trauert unterschiedlich bei seinem Sterben. Viele verstecken sich, entziehen sich dem ganzen Geschehen. Andere sind beim Sterben unmittelbar dabei: „Beim Kreuz standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter Maria, die Frau des Klopas und Maria von Magdala“.
Auch Johannes stand unter dem Kreuz. Am dritten Tag gehen Frauen mit wohlriechenden Salben zum Grab. Sie trauern, in dem sie ein Ritual vollziehen wollen. Andere laufen weg – nach Emmaus. Sie reden über all das, was geschehen ist. Wieder andere schließen sich ein. So unterschiedlich trauert das Umfeld Jesu.
Aber ihnen allen begegnet auf „ihrem Weg der Trauer“ der auferstandene Christus. Ob am Grab, ob auf dem Weg nach Emmaus, ob hinter den verschlossenen Türen – er ist bei ihnen. Oft erkennen sie ihn nicht („Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen.“), sind nicht sicher, wer das ist („Sie meinte, es sei der Gärtner.“), oder können seine Gegenwart nicht glauben („Wenn ich meinen Finger nicht in die Male seiner Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“). Aber er ist da. Er geht mit ihnen ihren Weg des Schmerzes und der Trauer.
Vielleicht ist es ja Christus, der uns in Gestalt der lieben Nachbarin, die uns still in die Arme nimmt, begegnet. Vielleicht ist er es, der sich den Stuhl nimmt, sich neben uns setzt und mit uns die Wand anstarrt. Vielleicht ist er es, der mich besucht, mir zuhört und meinen Schmerz aushält. Vielleicht ist er es, der mir mit einer schlichten Kondolenzkarte zeigt, dass er an mich denkt. ER geht mit.
Besonders deutlich zeigen wir dies, wenn wir in Gottesdiensten gemeinsam unserer Verstorbenen gedenken. In der Gemeinschaft wird deutlich: Wir sind nicht allein. Lieder und Gebete erzählen davon, dass wir unsere Verstorbenen bei Gott geborgen wissen. Und der Segen spricht uns zu: Gott ist mit uns auf unseren Wegen – ganz besonders auf unseren Wegen der Trauer.
So darf ich Sie auf die diesjährigen Gräbersegnungen auf Nord- und Südfriedhof hinweisen. Am Sonntag, den 5.11. um 15 Uhr beginnen wir die Gräbersegnungen in den Trauerhallen und segnen anschließend auf einem kleinen Rundweg die Gräber unserer Verstorbenen.
Der Verstorbenen Obdachlosen unserer Stadt, derer, die vergessen sind, die keine Angehörigen mehr haben, gedenken wir am Donnerstag, den 16.11. in einem ökumenischen Gottesdienst gemeinsam mit der Teestube um 12.30 Uhr in St. Bonifatius. Es wäre schön, wenn viele Gemeindemitglieder diesen Gottesdienst durch ihre Teilnahme und Gebet mittragen.
Bilder und Text:
Andreas Schuh, Gemeindereferent