St. Bonifatius Wiesbaden

Pilger der Hoffnung

GemeindebriefPhilippe Jaeck

Eine prägende Erfahrung auf meinem persönlichen Lebens- und Pilgerweg waren „Ignatianische Exerzitien“. Können diese Erfahrungen uns auch in diesen stürmischen Zeiten tragen?

Meine ersten Exerzitien machte ich mit 25 Jahren. Eine Freundin hatte mir eine Ordensgemeinschaft empfohlen, die „klassische“ Exerzitien anbietet. Sie haben eine klare Tagesstruktur, bestehend aus Gebetszeiten in der Ordensgemeinschaft, Impulsen (ausgewählte Bibelstellen, Anregungen für die persönliche Meditation), täglichen Gesprächen mit der Begleiterin und der täglichen Eucharistiefeier.

Bis auf die Gespräche mit meiner Begleiterin verbrachte ich die Tage im Schweigen. Auch während der Haus- und Gartenarbeit wurde geschwiegen. Durch dieses Schweigen öffnet sich ein innerer Raum, die Wahrnehmung schärft sich und die widersprüchlichen Stimmen und Stimmungen kommen an die Oberfläche.

Auch wenn man die ignatianischen Exerzitien an einem festen Ort verbringt, kann sehr viel in Bewegung kommen. Das war bei meinen ersten Exerzitien so, ich hörte und sah in den bekannten Bibelversen ganz neue Aspekte. Ich fühlte mich persönlich angesprochen, Jesus sprach mit MIR, ich wurde Teil der jeweiligen biblischen Begegnungen. Jesus fragte mich „Vertraust du darauf, dass ich dich von deiner Angst befreien und deine Wunden heilen kann ?“

Sich einem anderen überlassen und vertrauen, dass er meinen Weg besser kennt als ich, kann schwer sein. Ich habe viel gelitten, geweint und gekämpft in diesen Tagen. Am Ende der Exerzitienwoche hat sich Gott meiner erbarmt, mein innerer Zustand wandelte sich und ich fand Vertrauen, Frieden und Freude. Ich hatte mit Gottes und der Schwestern Hilfe den dunklen Tunnel verlassen und stand im hellen Licht meines persönlichen Ostermorgens.

Vielleicht möchten Sie kurz innehalten, denn gleich folgt ein Zeitsprung ins Jahr 2025

Wir leben in unsicheren und unruhigen Zeiten. Die Corona-Jahre und Kriege, die näher kommen als zuvor, beeinflussen neben weiteren Katastrophen alle Bereiche unseres Lebens.

Aufgrund der ineinander greifenden weltweiten Bedrohungen ziehen sich auch viele Christen zurück ins „Privatleben“, wo sie sich geschützter und sicherer fühlen. Hier haben wir einen gewissen Überblick und die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und mitzugestalten. Das kann ich nachvollziehen. Auf Dauer möchte ich mein Leben allerdings nicht auf einen Rückzugsort beschränken.

Das heißt, ich lebe in der Welt in einem Spannungsfeld. Ich strecke meine Antennen aus in unterschiedliche Richtungen, nehme Gegensätze wahr und spüre die Spannung, die zwischen den verschiedenen Polen wirkt. Das auszuhalten kostet Kraft.

Deshalb ziehe ich mich regelmäßig für ein paar Minuten in meinen inneren Raum zurück, den ich in meinen Exerzitien kennenlernen durfte. Von Zeit zu Zeit gönne ich mir ein paar Tage „Auszeit“. Durch gezieltes Atmen komme ich in meinen Körper. Herzraum und Seele sind heilige Orte, wo ich Frieden und Liebe spüren kann. Der Atem Gottes fließt durch mich hindurch und verbindet mich mit allem Lebendigen. In dieser Weite und Freiheit fällt es leicht, die „Geister“ zu unterscheiden. Das, was nicht von Gott kommt, stiftet Verwirrung und Unfrieden. Wer die Verbindung zu Gott verliert, läuft Gefahr, selbstbezogen zu leben. Täglich sehen wir die Folgen dieses Egoismus. Daraus kann die Gier nach Macht und Geld entstehen, die in letzter Konsequenz gefährliche, sogar tödliche Folgen hat.

Gottes Geistkraft ist Liebe. Sie möchte uns Licht und Frieden schenken.

Im Buch Deuteronomium (5. Buch Mose) heißt es in Kapitel 30, 19 + 20 A

Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch.
Wähle das Leben, damit du lebst,
du und deine Nachkommen (Ergänzung: du und die nächsten Generationen)
Liebe den Herrn, deinen Gott, hör auf seine Stimme.
Halte dich an ihm fest, denn er ist dein Leben.

Krisenzeiten sind Zeiten, in denen jeder persönlich herausgefordert ist, seine Wahl zu treffen und den gewählten Weg zu gehen.

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie mit Gottes Hilfe und in guter menschlicher Gemeinschaft den Weg finden, der für Sie der richtige ist.

Zum Abschluss fasse ich zusammen, was für mich eine Pilgerin, einen Pilger der Hoffnung ausmacht.

Pilger der Hoffnung bewahren ihre Werte und ihre Menschlichkeit auch dann, wenn sie in Bedrängnis geraten. Sie haben Rückhalt und ein Rückgrat. Sie wollen die Realität hören, sehen und spüren mit ihren hellen und dunklen Seiten. Sie wissen, dass der Weg manchmal steil und steinig ist und sie gehen ihn trotzdem – Schritt für Schritt.

Pilger der Hoffnung haben die Erfahrung gemacht, dass sie sich auf ihre Weggefährten und Gefährtinnen verlassen können. Auch in Nebel und Dunkelheit vertrauen sie darauf, dass Gott sie führt. Pilger der Hoffnung sind wie Leuchttürme, die anderen Menschen Orientierung und Halt geben können.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes und gesegnetes Weitergehen auf dem Pilgerweg des Lebens.

Marion Lindemann, Gemeindereferentin i.R.

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