St. Bonifatius Wiesbaden

Über Relevanz und ein unauslöschliches Prägemal

Gemeindebrief, Theologie SpiritualitätPhilippe Jaeck
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Corona stellt unser Leben auf den Kopf, fördert erstaunliche Neu-Wortschöpfungen zu Tage und lässt in vielen Dingen neu nachdenken. Um eines vorweg klarzustellen: Ich möchte in diesem Artikel keine Politiker angreifen oder ihr Handeln in Frage stellen. Sie leisten in diesen Tagen Vieles, meistern große Herausforderungen und sind um nichts zu beneiden. Und ich bin dankbar, dass Berufe wie Pfleger, Erzieher, Kassierer… im Moment mehr Aufmerksamkeit erhalten und hoffe sehr, dass dies auch nach Corona noch erhalten bleibt. Ich erlebe in diesen Tagen teilweise ein Mehr-aufeinander-Zugehen, eine Aufmerksamkeit und Achtsamkeit den Mitmenschen gegenüber… eine positive Entwicklung, die ebenfalls fortbestehen bleiben möge.

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„Risikogruppe“ und „systemrelevant“ – zu Beginn der Corona-Pandemie waren diese beiden Begriffe in aller Munde. Und manch eine(r) fühlte sich vielleicht auch durch eine solche Kategorisierung abgestempelt. Mir stellte sich die Frage – was macht es mit Menschen, die einen scheinbar nicht systemrelevanten Beruf haben, aber in diesem einen Teil der Erfüllung ihres Lebens sehen? Was macht es mit Menschen, die gewollt oder ungewollt zu Hause bleiben? Was macht es mit Menschen, die, da sie zur Risikogruppe gehören, bei manchen Dingen einfach nicht mehr gefragt werden und damit nicht selbst entscheiden können, ob sie sich dem Risiko aussetzen oder nicht? Und nicht zuletzt: Was macht es mit der Kirche und ihren Mitgliedern, wenn sie – so scheint es mehr und mehr – von der Gesellschaft als nicht mehr systemrelevant eingestuft wird?

Vom christlichen Menschenbild her möchte ich sagen und das ist meine Grundüberzeugung: Wir alle haben ein unauslöschliches Prägemal in uns, sind sozusagen von Gott „abgestempelt“. Er hat uns alle geschaffen und in jedem von uns steckt ein Sinn. Egal, ob wir Arzt sind, Vater der zu Hause bleibt und die Erziehung der Kinder übernimmt, Hartz-IV-Empfänger oder Bestatter: Gott sagt jedem und jeder von uns zu: Du bist (für mich) systemrelevant! Diesen Stempel tragen wir in uns und sozusagen auf unserer Stirn. Und mit diesem Stempel dürfen wir durch diese Pandemie gehen, im Wissen und in der Hoffnung, dass Gott uns trägt, dass wir für ihn relevant sind und wir einen unendlichen Wert bei und für ihn haben. Diesen Stempel dürfen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen. Und vielleicht tut es auch gut, ihn einem anderen Menschen mal bewusst zu machen und ihm zu sagen: Du bist für Gott (und für mich) systemrelevant!

Carolin Enenkel, Gemeindereferentin
Fotos: Damien/Adobe Stock und Katarzyna Klöckner