Träger, Leitungen und Team: Zusammenarbeit im Dialog
Qualitätssicherung ist nicht nur in der Industrie, sondern auch in sozialen Einrichtungen Standard. Weil der Faktor Mensch hier die wichtigste Rolle spielt, sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kitas dabei von Anfang an miteinbezogen werden. Um eine Kita als lernendes Unternehmen modern zu führen, müssen Leitung und Träger in viele Richtungen offen sein.
In Deutschland existiert eine plurale Trägerlandschaft für Kindertageseinrichtungen. Unterschieden wird zwischen den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe sowie den freien Trägern, wie z. B. Arbeiterwohlfahrt, Caritas-Verband, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, Diakonisches Werk, zahlreiche Elterninitiativen und nicht zuletzt die evangelischen und katholischen Kirchen. Von den 56.708 Kindertageseinrichtungen für Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren in Deutschland werden 38.122 Einrichtungen von freien Trägern und 18.586 Einrichtungen von öffentlichen Trägern betrieben
(Stand 18.10.2019).
Dabei steigt der Bedarf an institutioneller Kinderbetreuung stetig. Fachkräfte, Leitungen und Träger stehen deshalb vor neuen Aufgaben und komplexen Herausforderungen, die effiziente Managementstrukturen und Qualitätsstandards erfordern. Dabei geht es um Betriebswirtschaft, Personalführung, Buchhaltung und Organisation, aber auch um aktuelle Erkenntnisse aus den Kognitions- und Erziehungswissenschaften. Für die Träger sind Mut und Durchsetzungsvermögen gefordert, um sich mit einem eigenen Profil im Makrokosmos der Kindertageseinrichtungen zu positionieren. Welche Leistungen
müssen in der Kita angeboten und optimiert werden? Welche gesetzlichen und trägerspezifischen Vorgaben müssen erfüllt werden?
Gütesiegel als Qualitätsmerkmal
In den vergangenen zehn Jahren wurden zahlreiche, teils kontroverse Fachdiskurse über die Qualität der
Kindertageseinrichtungen geführt. Das hat letztendlich zu einer positiven Haltung gegenüber internen und externen Qualitätsüberprüfungsmaßnahmen geführt. Sie sind heute Standard. Dazu kommen konzept- und trägerübergreifende Gütesiegel, die von einer externen, unabhängigen Stelle vergeben werden. Die Mehrzahl aller Wohlfahrtsverbände nimmt die Themen Qualitätsentwicklung und Zertifizierungsstrategien ernst. So hat etwa der Bundesverband katholischer Tageseinrichtungen (KTK) Gütesiegel gemäß DIN ISO 9000ff konzipiert und bietet eine Zertifizierung entlang christlicher und fachlicher Kriterien an.
Das Verantwortungsgefühl stärken
Die Zusammenarbeit zwischen Trägern und Leitungskräften sollte im Dialog stattfinden und von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen geprägt sein. Die Erzieherinnen und Erzieher tragen letztendlich den Löwenanteil für die Umsetzung formulierter Standards. Dieses Wissen ist für die Wirksamkeit eines Qualitätsmanagements zentral. „Ohne die Beteiligung oder nur mit Scheinbeteiligung der Mitarbeiterinnen wird der Prozess scheitern“, schreibt Wolfgang Klug in seinem Buch „Erfolgreiches Kitamanagement“. Doch nicht nur Fachkräfte, auch Eltern, Kinder und auch Unterstützer wie Fachberatungen, Netzwerkpartner und Akteure im Sozialraum sollten in allen Phasen des Qualitätsmanagements teilnehmen und es mittragen. Sonst besteht die Gefahr, dass Qualitätsbemühungen im Idealismus Einzelner ersticken und nur auf dem Papier geschrieben stehen.
Qualitätszirkel können hilfreich sein, um die verschiedenen Akteure ins Qualitätsmanagement einzubinden. Qualitätszirkel ermöglichen es, mit allen Teilen einer Organisation und ihres Umfeldes eine Organisationstruktur zu verändern und sie marktfähig zu machen. Der Qualitätszirkel ist eine variable Arbeitsform, die sich aus unterschiedlichen Arbeitsaufträgen in unterschiedlichen Konstellationen zusammensetzt. So kann z. B. eine Vision gemeinsam mit Träger, Leitungen und interessierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über einen festgelegten Zeitraum entwickelt werden, um dann die Ergebnisse in Gesamtteams und Gremien zu präsentieren.
Nebenwirkungen sind erwünscht
Diese Methode ermöglicht willkommene Synergieeffekte. Das kann zum Beispiel die vermehrte Kommunikation zwischen Fachkräften aus unterschiedlichen Einrichtungen sein. Auch das Verantwortungsgefühl und die Identifikation der Teilnehmer mit dem Träger werden bei der Methode des Qualitätszirkels gestärkt. Partizipation motiviert: So kommt ein Prozess in Gang, in dem Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht mehr länger nur Empfänger von Anweisungen sind, sondern zu Trägern von Ideen werden. Eine gemeinsam erarbeitete Grundüberzeugung bietet zudem eine gute Grundlage, die „Corporate Identity“ der Einrichtung in die Öffentlichkeit zu tragen.
“INSTRUMENTE DER QUALITÄTSSTEUERUNG
• Mitarbeitergespräche
• Stellen- und Aufgabenbeschreibungen
• Controlling, Planung, Evaluation
• Qualifizierung”
Ein weiterer Faktor für ein gelingendes Qualitätsmanagement ist die Übergabe von Aufgaben an das Team oder an eine Person, die die Funktion des Qualitätsbeauftragten übernimmt. Sie oder er übernimmt dann gemeinsam mit der Leitung folgende Aufgaben: Informieren, Motivieren, Moderieren, Ziele vereinbaren, Planen, Delegieren, Koordinieren, Dokumentieren, Auswerten und Kontrollieren.
Kurze Entscheidungswege sind wichtig
Bei allen Rufen nach der Absicherung der Qualität in Kitas und den Forderungen nach Qualitätsmanagement-Modellen, wie der DIN ISO 9000ff, sollte man nicht vergessen, dass dieses System aus dem Kontext der Industrie stammt. Die ISO-Philosophie richtete sich auf ein industriell gefertigtes Produkt, wie z. B. ein Auto oder eine Waschmaschine. Das Qualitätsmanagement sichert eine zuvor festgelegte Qualität, in dem bestimmte Handgriffe und Abläufe normiert und formalisiert werden.
In sozialen und insbesondere erzieherischen Kontexten ist dies jedoch unmöglich. Eine Kindertagesstätte muss offen und konstruktiv auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren und dementsprechende Angebote entwickeln oder adaptieren.
Eine Kita, verstanden als ein lernendes Unternehmen, braucht einfache Strukturen, die kurze Entscheidungswege zulassen. Deswegen sind multiple Aufgaben- und Verantwortungsbereiche für einzelne Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und Projektteams nötig. Notwendig ist ein Gemeinschaftsgefühl, d. h. dass tradierte Gruppenverantwortungen aufgelöst werden und sich jeder einzelne Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die gemeinsame Qualität des ganzen Hauses einsetzt. Die Bewältigung von Problemen wird zur Teamaufgabe.
Die Kita-Leitung ist als Manager*in gefragt
Leitungskräfte sind also gefordert, das Lernen der Teammitglieder zu managen und Lernfortschritte für alle zu fördern. Dazu braucht die Kita-Leitung soziale Kompetenzen zur kooperativen Mitgestaltung, sie benötigt Lernkompetenzen zur Gestaltung des Know-how-Transfers und sie muss über Innovationskompetenzen verfügen, um Veränderungen zu moderieren und zu gestalten. Die fachlichen Befähigungen der Kita-Leitung in Verbindung mit ihrer Führungskompetenz ergeben die Grundlage gelingender Kita-Unternehmensführung.
Eines der hartnäckigsten Dogmen der Sozialen Arbeit lautet, „dass alle Führungsprobleme auf der Beziehungsebene zu lösen sind“, schreibt Wolfgang Klug. Das Gegenteil ist richtig: Die Führungsstrategie in der Kita sollte immer auf Problemlösungen ausgerichtet sein, die nicht auf der Beziehungsebene ausgetragen werden – ganz im Sinne des Sprichworts: „Das Gegenteil von sachlich ist unsachlich und nicht emotional“. Zu wünschen ist ein Führungsverständnis und eine Personalführung der Kita-Leitung, die die rationale Dimension fördert, also auf smarte Ziele, angemessene Methoden und Ergebniskontrolle setzt. Aber die Kita-Leitung sollte genauso wenig die emotionale Dimension vernachlässigen: Auch Kommunikation, Vertrauen und Begeisterung für das Team sind wichtig.
Arkadius Kummer, Kitaleiter St. Andreas
Aus: Praxis Kita. Das Fachmagazin für kindzentrierte Pädagogik. Ausgabe 60 (Juni 2020), Seite 32 ff