Da denkt man sofort an das beliebte Lied aus dem Kindergottesdienst mit den gefühlt hundert Strophen. Vielleicht fällt noch die Enzyklika von Papst Franziskus gleichen Namens ein. Dieses Lehrschreiben, in dem der Papst unseren Blick auf die Bewahrung der Schöpfung lenkt.
Laudato si, mi signore…
so beginnen die Strophen dieses großartigen Gedichtes, das wir landläufig unter dem Namen „Sonnengesang“ kennen. Dieser Titel beschreibt aber nur unzureichend, um was es in diesem Werk wirklich geht. Es ist ein Meisterwerk des Hl. Franziskus, dessen Gedenktag wir in diesem Monat (4. Oktober) feiern.
Vieles an diesem Gedicht ist außergewöhnlich, es ist das älteste überlieferte literarische Werk in der italienischen Volkssprache. Es ist auch deshalb außergewöhnlich, weil es von einem, gelinde gesagt, mäßig gebildeten Menschen verfasst wurde. Wenn man das italienische Original hört, so spürt man den Rhythmus und die Musik dieses Textes.
Mehr noch beeindruckt die inhaltliche Konzeption. Es ist eine Poem gewordene Schöpfungstheologie. Da wird Gott in und durch seine Schöpfung gelobt: der Kosmos (Sonne, Mond und Sterne), die Elemente (Luft, Wasser, Feuer und Erde), der Mensch in seinen besten Möglichkeiten und den erschreckenden Aussichten (Liebe und Tod). Diese innige Verbindung von Schöpfer und Schöpfung drückt sich auch darin aus, dass Franziskus ein Lied der Geschwisterlichkeit singt. Alle sind einander Schwestern und Brüder! Auch wenn er die Sonne (im Italienischen männlich!) „Herr“ und die Erde „Mutter“ nennt, so sind sie doch Bruder Herr und Schwester Mutter, die Besonderheit wird quasi durch die Geschwisterlichkeit geadelt! Und es sind Paarbeziehungen, die aufeinander Bezug nehmen, es wechselt immer die Anrede Bruder mit Schwester ab.
Doch er führt die sozusagen geschöpfliche Paarbeziehung in den göttlichen Bereich hinein, den er in einem Dreierrhythmus (Dreifaltigkeit) beschreibt: besonders in der ersten und letzten Zeile: „Höchster allmächtiger guter Herr - dankt und dient ihm in großer Demut“. Die Attribute Gottes: Höchster, Allmächtiger, Guter korrespondieren quasi in umgekehrter Reihung mit Demut, Dienen, Danken. Der Höchste wird erfahrbar in der Demut, der Menschwerdung, der Allmächtige im Dienst, der den Jüngern die Füße wäscht, der Gute (für Franziskus das wichtigste Attribut), dem wir antworten mit einem Leben geprägt von Dankbarkeit.
Stimmen wir als Geschwister das Loblied der Schöpfung und des Schöpfers an.
Pfarrer Matthias Ohlig, Kooperator
Sonnengesang des Hl. Franziskus:
Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein ist das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, besonders dem Herrn Bruder Sonne, der uns den Tag schenkt und durch den du uns leuchtest. Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz: von dir, Höchster, ein Sinnbild.
Gelobt seist du, mein Herr, für Schwester Mond und die Sterne, am Himmel hast du sie geformt, klar und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Wind,
für Luft und Wolken, heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deine Geschöpfe am Leben erhältst.
Gelobt seist du, mein Herr, für Schwester Wasser,
sehr nützlich ist sie und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Feuer,
durch den du die Nacht erhellst.
Und schön ist er und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt mit bunten Blumen und Kräutern.
Gelobt seist du, mein Herr, für jene, die verzeihen um deiner Liebe willen und Krankheit ertragen und Not.
Selig, die ausharren in Frieden,
denn du, Höchster, wirst sie einst krönen.
Gelobt seist du, mein Herr, für unseren Bruder, den leiblichen Tod;
kein lebender Mensch kann ihm entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig, die er finden wird in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen keine Leid antun.
Lobet und preiset meinen Herrn
und dankt und dient ihm mit großer Demut..