Beieinander ankommen - dies ist das Thema unseres neuen Gemeindebriefes. Das Bild hat der Journalist Richard Gutjahr am 6. September in München gemacht, und mit weiteren Fotos der ankommenden Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof in seinem Blog zur Verfügung gestellt.
Die Bilder aus München haben uns im Team sehr berührt. Bei vielen Menschen haben die Ereignisse den Impuls helfen zu wollen verstärkt. Auch in unserer Kirchengemeinde ist das Thema aktuell und Heiko Litz hat in diesem Gemeindebrief deshalb einen Leitartikel mit der Überschrift "Beieinander ankommen" geschrieben. Außerdem stellen wir Ihnen einige Projekte vor, die wir in unserer Gemeinde etabliert haben.
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Impuls
Pastoralreferentin Anna Niem
Liebe Gemeinde,
„beieinander ankommen“ – ein zentrales Lebens- und Glaubensthema. Kaum eine Sehnsucht im Menschen ist wohl so groß wie die, bei anderen gut anzukommen, äußerlich und vor allem innerlich angenommen zu werden. Tausende von Menschen kommen mit dieser Sehnsucht zu uns nach Europa. Doch zum beieinander Ankommen gehören immer zwei Seiten...
Auf andere Weise ist das Thema im Pastoralteam und der Pfarrei präsent: in Person des neuen Stadtdekans, der neuen Gemeindereferentin – und auch unter diesem Artikel finden Sie ein neues Gesicht: die neue Pastoralreferentin. Mögen wir alle gut beieinander ankommen!
Dies gilt immer wieder an unseren verschiedenen Lebensstationen. Für mich waren das nach meiner Kindheit im norddeutschen Quakenbrück verschiedene Orte des Ankommens – in der Musik, der katholischen Theologie, der Arbeit in der Kleinstadt- und Citypastoral, im geistlichen Leben allein und in Gemeinschaft – in Hannover, Frankfurt, Twistringen und Bremen, Köln und jetzt Wiesbaden. Hier durfte ich übrigens punktuell auch schon vorher ankommen und kenne einige Gesichter von den byzantinischen Liturgien in der Roncalli-Kapelle.
Entlang dieser Stationen wurde mir deutlicher, was sich wie ein roter Faden durch die Bibel hindurchzieht: Ziel und Mitte aller Begegnungen ist das beieinander Ankommen von Gott und Mensch: Das pilgernde Volk Israel findet erst dann seinen Frieden im verheißenen Land, als es lernt, seinem Gott bedingungslos zu vertrauen. Zacharias gewinnt seine Sprach- und Begegnungsfähigkeit wieder, als er geschehen lassen kann, was Gott mit seiner Familie vorhat.
Und Christus sagt, dass wir mit einem Bedürftigen ihn selbst aufnehmen. Bei Paulus ist das beieinander Ankommen von Gott und Mensch so sehr verwirklicht, dass er von sich sagen kann: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Je mehr Raum wir also Ihm und seiner Liebe in uns geben, desto besser kann auch zwischenmenschliches innerliches beieinander Ankommen gelingen! Ich freue mich auf die Begegnungen mit Ihnen!
Ihre Pastoralreferentin
Anna Niem
Welcome to Munich - Richard Gutjahr. Lizenz: CC BY 4.0
Beieinander ankommen
Teilhaben am Leben des anderen
Das Bild auf der Titelseite berührt mich. Es zeigt einen Vater, der sein schlafendes Kind auf dem Arm trägt. Er gibt ihm Halt und Geborgenheit. Als Vater kenne ich diese Situation. Es war bei einem Familienfest zu vorgerückter Stunde, als sich mein Kind vor Müdigkeit nicht mehr auf den Beinen halten konnte und vor dem ganzen Trubel in meine Arme „flüchtete“. Für einen kurzen Moment dachte ich „Oh, bitte nicht!“. Doch dann überwog dieses wunderbare Gefühl der Nähe und des Vertrauens, das mir entgegengebracht wird, das wir, mein Kind und ich, miteinander teilen.
Gemeindereferent Heiko Litz
Es ist diese Urerfahrung von Nähe, Geborgenheit, Schutz und Angenommensein, die uns erst zu Menschen macht. Aus der Forschung weiß man, dass diese Erfahrungen für das weitere Leben von grundlegender Bedeutung sind. Sie stärken die Fähigkeit, trotz schwieriger Lebenssituationen psychisch und biologisch gesund zu bleiben und zu werden, gerade auch dann, wenn wir traumatische Erfahrungen machen wie Tod, Gewalt oder Vertreibung.
Als Christen wissen wir auch um diese Grunderfahrungen durch die uneingeschränkte Zuwendung Gottes an uns Menschen. Dem bedingungslosen ‚Ja‘ Gottes zu jedem einzelnen Menschen verdanken wir unser Dasein.
Das Bild auf der Titelseite berührt mich noch auf andere Weise. Es ist eine Aufnahme vom Münchener Hauptbahnhof, auf dem tausende Menschen auf der Flucht vor Verfolgung, Bürgerkrieg und Zerstörung in den letzten Wochen ankamen. Nach einer wohl langen und gefährlichen Odyssee, mit vermutlich unheilvollen Erfahrungen in Ungarn, kam dieser Vater mit seinem Kind nach Wochen der Flucht endlich in Sicherheit an. Begleitet und unterstützt wurden diese Menschen von professionellen Helfern, die Erstversorgung und Unterbringung organisierten. Aber auch die Rolle von vielen Bürgern war bemerkenswert, als diese solidarisch die Flüchtenden mit Willkommensplakaten und Applaus begrüßten.
Die aktuelle Situation von Menschen, die zu tausenden täglich in unser Land und in unsere Städte kommen, ist nicht nur eine Herausforderung für jeden einzelnen Flüchtenden, sondern auch eine Herausforderung für die Länder Europas und deren Gesellschaften. Über die erste Hilfsbereitschaft und Anteilnahme hinaus stellt sich aber auch die Frage nach der Grundhaltung und Motivation, um auch zukünftige Herausforderungen zu bewältigen, wenn es um die Integration dieser Menschen in unsere Gesellschaft geht. Es ist auch eine Herausforderung für unsere Pfarrei St. Bonifatius und an jeden einzelnen und dessen (Glaubens-)Überzeugung und Praxis.
Papst Franziskus hat hier eine klare Botschaft. Beim Angelus Gebet auf dem Petersplatz appellierte er, dass alle Pfarreien, religiösen Gemeinschaften, Klöster und Wallfahrtsorte in ganz Europa eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen sollen. Es reiche nicht aus, angesichts des Leidens zehntausender Menschen, nur Mut und Geduld zu predigen.
Im Jakobusbrief heißt es im Kapitel 2 Vers 14, „was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke?“ und weiter im Vers 17 „So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat.“ In diesen Versen wird deutlich, dass es dem Wesen des Glaubens entspricht, dass er auch nach außen wirkt: im Wort des Bekenntnisses und in der Tat.
Das Bekenntnis bzw. die Grundhaltung im Umgang mit Menschen, die durch Migration zu uns kommen, finden wir in zahlreichen Beispielen der Geschichte Israels. Schon immer mussten Menschen ihre Heimat verlassen und kamen in Gegenden, in denen andere Menschen lebten. Aufgrund einer Hungersnot ziehen Jakob und seine Söhne nach Ägypten und leben dort als fremdes Volk.
Die Erfahrungen im babylonischen Exil viele Jahre später prägen den Umgang Israels mit den Fremden im eigenen Land. Im Buch Levitikus heißt es: „Ich bin der Herr, euer Gott. Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben, wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“(Lev 19, 33–34)
Jeremia schreibt an die Verbannten in Babylon: „So spricht der Herr der Heere, der Gott Israels, zur ganzen Gemeinde der Verbannten, die ich von Jerusalem nach Babel weggeführt habe: Baut Häuser und wohnt darin, pflanzt Gärten, und esst ihre Früchte! Bemüht euch um das Wohl der Stadt, in die ich euch weggeführt habe, und betet für sie zum Herrn; denn in ihrem Wohl liegt euer Wohl.“ (Jer 29, 4.5.7)
Durch den Appell von Papst Franziskus und den Beispielen aus den Gründungzeiten des Volkes Israels wird deutlich: Das Ankommen von Flüchtlingen endet nicht mit der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen und einer Grundversorgung für die ersten Wochen und Monate. Vielmehr geht es bei den zukünftigen Herausforderungen um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, also beim „beieinander Ankommen“. Migration und Integration sind also keine Einbahnstraße, vielmehr ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen. Beieinander ankommen‘ heißt, einander teilhaben zu lassen am Leben des anderen.
Der Vater im Titelbild trägt sein Kind, gibt im Halt und Geborgenheit. Er hat sich auf den weiten Weg, voll Gefahren und Entbehrungen gemacht, um seine Familie in Sicherheit zu bringen und ihr ein gutes Leben zu ermöglichen. Wir sind herausgefordert, heute gemeinsam tragfähige Strukturen aufzubauen und Grundüberzeugungen vorzuleben, um der nächsten Generation ein Leben in Sicherheit und Frieden zu ermöglichen.
Heiko Litz
Begegnungsabend
„Beieinander ankommen heißt aneinander teilhaben“. So lautet auch der Titel der Begegnungstreffen, die in Kooperation mit der Kirchengemeinde St. Bonifatius, der Katholischen Familien- und Erwachsenenbildung und Caritas bisher stattfanden. Über 100 Menschen mit Fluchterfahrung und Migrationshintergrund, Akteure und Gemeindemitglieder haben daran teilgenommen. Die interkulturelle Begegnung hat zum Ziel, dass sich Menschen, unabhängig von ihrer religiösen und kulturellen Herkunft, näher kennen lernen. Internationale kulinarische Köstlichkeiten helfen, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Der nächste Begegnungsabend findet am Mittwoch, 14. Oktober 2015, 19.00 Uhr im RoncalliHaus statt. Unter der Überschrift „Praxis Willkommenskultur“ stellen (kirchliche) Initiativen Angebote und Praxisbeispiele einer Willkommenskultur in Wiesbaden vor. Die Angebote umfassen z.B. Sprachkurse, Begegnungscafé oder etwa Unterstützung im Alltag. Flüchtlinge und (zukünftige) Helfer haben Gelegenheit, Angebote in der Nachbarschaft kennenzulernen.
Flüchtlingshilfe und Willkommenskultur in der Kirchengemeinde
Die Kirchengemeinde unterstützt Flüchtlinge, damit diese in der Gesellschaft ankommen können. Unter dem Leitthema „Das habt ihr mir getan“ (Mat 25, 40) bietet sie zusammen mit ehrenamtlichen Helfern konkrete Einzelfallhilfen an.
Wohnungsangebot für Familien
„Ihr habt mich aufgenommen“ (Mat 25,35).
Seit August 2014 beherbergt die Kirchengemeinde zwei syrische Familien und unterstützt diese in der Integration.
Familiencafés und Begegnungstreffs
„Wie ein Einheimischer“ (Lev 19, 34).
An verschiedenen Kirchorten bietet die Kirchengemeinde in Kooperation mit der katholischen Familienbildungsstätte verschiedene Begegnungs- und Integrationsangebote an.
Gerade Familien mit Fluchterfahrungen erfahren hier besondere Unterstützung.
Im „Familiencafé“ am Kirchort St. Elisabeth, Zietenring 18, kommen jeden Dienstag von 14:30 - 17:30 Uhr Familien mit und ohne Fluchterfahrungen zusammen. Angebote: Austausch, Sprachunterstützung, Kinderbetreuung und Hausaufgabenunterstützung.
Das „Nachbarschaftscafé Südost“ am Kirchort St. Michael, Burgunderstrasse 11, öffnet die Türen für Menschen mit und ohne Fluchterfahrungen jeden Freitag von 15:00-17:30 Uhr. Angebote: Begegnung, Beratung und konkrete Hilfen. Zukünftig werden Sprachunterstützung, Kinderbetreuung und gemeinsame Freizeitaktivitäten angeboten. Familien und Einzelpersonen sind herzlich Willkommen.
Im Café International am Kirchort St. Andreas, Aßmannshäuser Str. 11, startet ab Oktober das Projekt „MuT machen“ für Kinder und Jugendliche. Ziel ist es, durch gemeinsames musizieren und Theaterspielen die Integrationskompetenzen zu stärken und das interkulturelle Zusammenleben am Kirchort und Stadtteil zu fördern.
Integration durch Freizeitmaßnahmen
„Kommt und Seht“ (Joh 1,39).
Im Sommer nahmen drei Kinder mit Fluchterfahrungen am Kinderzeltlager der Kirchengemeinde teil. In Kooperation mit der Kolpingjugend im Bistum Limburg nahmen fünf Jugendliche an einer internationalen Jugendbegegnung im Kloster Schönau in Strüth teil.
Weitere Angebote der katholischen Fachstellen und Kirchengemeinden in Wiesbaden
Die katholische Familienbildungsstätte bietet eine breite Angebotspalette für Mütter, Väter und Einzelpersonen an. Für Flüchtlinge sind die Angebote kostenfrei. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) bietet Unterstützung für schwangere Frauen an. Im AnziehTreff, Am Schulberg 27, erhalten Schwangere und Kinder kostenlos gespendete Kleidung, Baby- und Kinderzubehör.
Die Caritas mit ihren Fachstellen bietet z.B. Sprachunterricht und Migrationsberatung an. Im Juli wurde die Fachstelle Gemeindecaritas/ Flüchtlingshilfe eingerichtet. In Arbeit ist ein Ausbildungskonzept für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit.
Die Katholische Erwachsenenbildung führt zurzeit das Fortbildungsangebot „Religion als Ressource in sozialer Arbeit mit ChristInnen und MuslimInnen" durch.
Der Arbeitskreis Flüchtlingshilfe/Willkommenskultur koordiniert die Angebote auf Stadtkirchenebene. Alle Kirchengemeinden und die genannten Fachstellen sind dort vertreten.