St. Bonifatius Wiesbaden

Gemeindebrief 11/2015 - Allerheiligen

Theologie SpiritualitätAutor

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Sr. Katharina

Sr. Katharina

Welcher Monat im Jahr ist Ihr Lieblingsmonat? Ich gehe davon aus, dass nur wenige den November nennen werden. Wenn, dann vielleicht, weil sie gerade im November Geburtstag oder einen anderen Festtag haben. 

Den November verbinde ich mit grauen Wolken, Regen und halbkahlen Bäumen. Aber auch mit dem Friedhof, den Festen Allerheiligen und Allerseelen. Wenn die Natur wenig Schönes für das Auge bietet, was uns ablenken kann, dann fällt es uns vielleicht leichter, uns in Gedanken mit dem Jenseits auseinanderzusetzen. 

Wie geht es den Menschen, die verstorben sind? Wie ist es, bei Gott zu sein? Das ist die christliche Hoffnung, dass das Leben nach dem Tod bei Gott weitergeht. Bei den Heiligen scheint es sicher zu sein, dass sie Gott schauen dürfen und glücklich sind. Aber wie ist es mit meinen lieben Verstorbenen? 

Wir können darauf vertrauen, dass Gott barmherzig ist. Wir können für unsere Verstorbenen beten. Wir alle, die Lebenden und die Verstorbenen, gehören zu einer Gemeinschaft in Christus. Zeichen dieser Verbundenheit ist das Weihwasser, mit dem die Gräber gesegnet werden. Wir bitten Gott an unseren Verstorbenen zu vollenden, was er an ihnen in der Taufe begonnen hat. Ein anderes Zeichen dieser Verbundenheit sind auch die vielen Kerzen, die auf den Friedhöfen brennen. Lichter, die an die Auferstehung erinnern; Flammen, die ein Symbol der Liebe sind - Liebe, die uns mit den Verstorbenen verbindet.  

November ist nicht mein Lieblingsmonat. Die grauen Wolken, der Regen und die halbkahlen Bäume. Aber wenn ich den Himmel anschaue, hat das Grau viele Schattierungen. Und wenn noch die Sonne hindurchscheint… dann ist der Himmel sehr schön. Manchmal scheint es mir, dass im November der Himmel am schönsten ist. 

Sr. Katrina Dzene

Allerheiligen

Was ist ein Heiliger?

Das Fest Allerheiligen, das wir am 1. November wieder begehen, ist schon sehr alt. In der Ostkirche gibt es seit dem 4. Jahrhundert einen Gedenktag für alle Heiligen. In der Westkirche verbreiteten sich ähnliche Feiertage allmählich von Rom aus, nachdem Papst Bonifatius IV. am Anfang des 7. Jahrhunderts das ehemals heidnische Pantheon der Gottesmutter und allen Märtyrern geweiht hatte. Papst Gregor IV. legte den Feiertag im Jahr 835 für die gesamte Westkirche auf den 1. November fest.

An diesem Tag gedenkt die Kirche also in besonderer Weise aller Heiligen. Man könnte nach dem Sinn eines solchen Festes fragen, da die Kirche doch ohnehin fast jeden Tag Heiligengedenktage begeht. Im Oktober haben wir z. B. den heiligen Franziskus gefeiert, Teresa von Avila, Thérèse von Lisieux. Doch wurde die Zahl der Heiligen irgendwann so groß, dass man gar nicht mehr jedem einen eigenen Tag zuordnen konnte.

Heiligenikone aus Privatbesitz

Heiligenikone aus Privatbesitz

Darüber hinaus liegt der Fokus dieses Festes gar nicht so sehr auf den ganz großen Heiligen, derer eigens an einem bestimmten Tag gedacht wird. Das Allerheiligenfest rückt diejenigen Heiligen in den Mittelpunkt, „um deren Heiligkeit niemand weiß als Gott“. So heißt es in der Liturgie dieses Tages. Gedacht wird an Menschen wie Du und ich, die im Stillen ein im guten Sinne frommes und heiliges Leben geführt haben.

Doch was haben Menschen wie Du und ich mit den großen Heiligen zu tun, die uns in ihrer strahlenden Andersheit oft so unerreichbar vorkommen? Schaut man in die Bibel, und zwar in die Briefe des heiligen Paulus, findet man, dass alle Menschen, die an Christus glauben, als „Heilige“ angesprochen werden. Er schreibt seine Briefe an „die Heiligen in Korinth“, „die Heiligen in Rom“, und heute könnte er sie schreiben an die Heiligen in Wiesbaden oder gar Mainz. Im Alten Testament kann man lesen: „Seid heilig, denn ich, Euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,2). Aber ist das nicht eine totale Überforderung? Vielleicht sogar Blasphemie, wenn jemand von sich behaupten wollte, er wäre heilig wie Gott?

Im Internet habe ich einmal eine Geschichte gefunden. Sie versucht in ganz einfachen Worten zu erklären, was ein Heiliger ist. Da kommt ein kleiner Junge mit seiner Mutter an einer Kirche vorbei und beschwert sich: „Die Fenster sehen ja ganz grau und dreckig aus!“ Daraufhin nimmt ihn die Mutter mit in die Kirche hinein. Die Sonne strahlt von außen, und sie bleiben vor einem bunten Kirchenfenster stehen, auf dem der heilige Martin zu sehen ist. Die Mutter erzählt ihrem kleinen Sohn, was für ein heiliger und frommer Mann er war, und von dem vielen Guten, das er für die Menschen getan hat. Als der kleine Junge am nächsten Morgen in der Schule ist, stellt sein Religionslehrer eine Frage: „Weiß jemand von euch, was ein Heiliger ist?“ Nach kurzem Zögern meldet sich der kleine Junge. Er antwortet: „Ein Heiliger, das ist ein Mensch, durch den die Sonne scheint!“

Ein wunderschönes Bild für das, was gemeint ist: Die Heiligen sind nicht aus eigener Kraft besondere Menschen. Es ist jemand anderes, der sich in ihnen und ihrem Leben ausprägt. Sie sind in ihrem Leben der Menschenfreundlichkeit und Güte Gottes begegnet. Und diesem Gott haben sie sich so sehr geöffnet im Gebet und mit ihrem ganzen Leben und Wollen, dass sie etwas von dem an andere ausstrahlen, was sie selbst erfahren haben.

In der Ostkirche wird das Allerheiligenfest nicht im November, sondern am Sonntag nach Pfingsten gefeiert. Das ist nicht zufällig so, sondern hat einen tieferen Grund: Als Christen glauben wir, dass Jesus Christus durch sein Leben, Sterben und Auferstehen Heilung und Erlösung zu uns Menschen gebracht hat. Doch dass das wirklich bei jedem Einzelnen mit seiner je konkreten Lebensgeschichte ankommt und zu einer alltäglich greifbaren Lebenswirklichkeit wird, dafür ist der Heilige Geist zuständig. Der Heilige Geist ist es, der Menschen zu Heiligen macht, also zu Menschen, die in ihrem Herzen ganz aus dem Geheimnis der Erlösung leben. Wenn Paulus in Gal 2,20 sagt, „nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“, dann kann er dies nur im Heiligen Geist, der ihn so sehr mit der Gewissheit dieses neuen Lebens erfüllt, dass es nur so aus ihm heraussprudelt – bzw. herausleuchtet, um im Bild unseres kleinen Jungen zu bleiben. 

Jemand, der so sehr durch den Heiligen Geist mit Dankbarkeit erfüllt ist für das, was Gott an ihm gewirkt hat, wird wahrscheinlich nicht bloß davon reden, sondern selbst etwas von der Liebe und dem Trost an andere weitergeben, die er geschenkt bekommen hat. Vielleicht könnte man auch sagen, ein Heiliger ist ein Mensch, der es anderen leichter macht, an Gott zu glauben.

An alle diese Menschen, die jemals so gelebt haben, wird an Allerheiligen gedacht. Und wir dürfen auch an alle denken, die es uns heute leichter machen, an Gott zu glauben. Und an uns selbst, dass wir immer mehr zu Menschen werden dürfen, „durch die die Sonne scheint“…

Anna Niem,
Pastoralreferentin