St. Bonifatius Wiesbaden

Hoffnung, die trägt

GemeindebriefPhilippe Jaeck

Für mich ist die Bibel auch die Heilige Schrift der Hoffnung. Wenn ich die Geschichten des Alten Testamentes lese und die Psalmen bete, begegnet mir immer wieder die Hoffnung, dass Gott in schweren Zeiten sein Volk retten wird.

Besonders nahe liegt mir die Geschichte von Abraham und Sara im Buch Genesis. Gott hat Abraham so viele Nachkommen verheißen, wie es Sterne am Himmel und Sand am Meer gibt. Mit der Hoffnung, mit Sara Kinder zu bekommen, lebte Abraham sehr lange. Als sich noch immer kein Nachwuchs meldete, ging ihm die Geduld aus und er gab die Hoffnung auf. Abraham griff selbst in die Geschichte ein und er zeugte einen Sohn mit der ägyptischen Sklavin Hagar. Gott versprach Abraham wiederholt, dass Sara ihm einen Sohn gebären wird. Abraham hoffte gegen aller Hoffnung, weil seine Frau schon im unfruchtbaren Alter war. Tatsächlich gebar Sara den gemeinsamen Sohn Isaak. Gott hatte sein Versprechen gehalten. Die Hoffnung Abrahams war in Erfüllung gegangen.

Ich kenne, wie es ist, die Hoffnung für einige Zeit zu verlieren. Es ist schwer auszuhalten, wenn nichts passiert, was ich mir ersehne. Gott scheint für mich nicht mehr da zu sein. Ich fühle mich nicht mehr von ihm getragen. Ich versuche dann selbst etwas in die Wege zu leiten. Das Ergebnis ist in der Regel unbefriedigend. Irgendwann kommt dann das Eingreifen Gottes auf eine unerwartete Weise zu einem unerwarteten Zeitpunkt. Das ist dann ein Geschenk, erfahren zu dürfen, dass Gott da ist. Solche Erfahrungen helfen mir in den Zeiten der Hoffnungslosigkeit, mich an Gott zu wenden und bei ihm Hoffnung zu schöpfen.

Hoffnung ist eine der tragenden Säulen der Spiritualität meiner Ordensgemeinschaft der Dominikanerinnen von Bethanien. Der Anfang unserer Kongregation liegt Mitte des 19. Jahrhunderts im Frauengefängnis in Cadillac, einer Stadt in Frankreich. Unser Gründer, Dominikanerpater Johannes Joseph Lataste, hielt dort den gefangenen Frauen Einkehrtage. In den Beichtgesprächen erfuhr er von den Schicksalen dieser Frauen. Daran, dass die Frauen im Gefängnis landeten, waren auch die gesellschaftlichen Strukturen schuld. In der Zeit der Industrialisierung kamen viele arme Mädchen aus dem Land in die Städte und arbeiteten in den Haushalten von reichen Leuten. Sie wurden dort geschwängert und dann auf die Straße gesetzt. Was konnten sie tun? Sie wagten es nicht, nach Hause zurückzukehren. In ihrer Verzweiflung töteten sie ihre neugeborenen Kinder und kamen für viele Jahre ins Gefängnis. Nach der Entlassung wollte keiner ihnen eine Arbeit geben, weil sie als Verbrecherinnen galten. Ihre Situation war hoffnungslos. Deshalb begingen nicht wenige der Frauen kurz vor ihrer Entlassung Selbstmord im Brunnen des Gefängnishofs.

Pater Lataste setzte sich für diese Frauen ein. Er gründete die Kongregation der Dominikanerinnen von Bethanien, in die auch aus dem Gefängnis entlassene Frauen eintreten konnten. Das war in dieser Zeit revolutionär. Außerdem wurde Pater Lataste politisch aktiv. Er machte die gesellschaftlichen Strukturen auf die große Ungerechtigkeit aufmerksam. Die Frauen hatten ihre Schuld im Gefängnis schon gesühnt. Gott hat ihnen vergeben. Gott liebt sie. Jesus hat auch für diese Frauen sein Leben hingegeben. Sie sind würdig, in der Gesellschaft wie alle anderen behandelt zu werden.

Mir zeigt diese Geschichte, wie notwendig die gesellschaftlichen Strukturen sind, um Menschen in Krisensituationen Hoffnung zu geben. In dieser Hinsicht wird viel in unserem Land getan. Es wird aber vielen Menschen Hoffnung auch genommen, aus welchen Gründen auch immer.

Die politische Situation hat sich in der Welt, besonders auch in Europa, zugespitzt. Ich lebe jeden Tag mit der Hoffnung, dass die Kriege nicht weiter eskalieren. Auch wenn ich leider das Gegenteil durch die Nachrichten erfahre, hoffe ich trotzdem weiter. Ich denke, dass ich ohne Hoffnung nicht leben kann. Ich kann hoffen, weil ich glaube, dass Gott da ist und trotz allem uns und unsere Welt in seinen Händen hält. Kein Krieg kann uns seiner Hand entreißen. Und weil für Gott alles möglich ist, hoffe ich auf den Frieden.

Wir als Kirche sind eine „Anlaufstelle“ für Hoffnung oder sollten es wenigstens sein. Unsere Hoffnung liegt in Gott. Wir brauchen einander, um Hoffnung aufrechtzuerhalten. Alleine zu hoffen, finde ich schwer.

Eines meiner Lieblingsgedichte ist das Gedicht von Margaret Fishback Powers „Spuren im Sand“. Dieses Gedicht gibt für mich die Hoffnung wieder, dass Gott uns in schweren Zeiten besonders nahe ist und uns in seinen Händen trägt.

Sr. Katrina Dzene, Gemeindereferentin