St. Bonifatius Wiesbaden

Wer ist eigentlich der Heilige Geist?

Theologie SpiritualitätAutor

Diakon Stephan Arnold über Gottes Wirkmacht in der Welt.

Diakon Stephan Arnold

Diakon Stephan Arnold

Liebe Schwestern und Brüder. 

„Ohne den Heiligen Geist ist Gott fern, bleibt Christus in der Vergangenheit, ist das Evangelium ein toter Buchstabe, die Kirche ein bloßer Verein, die Autorität eine Herrschaftsform, die Mission Propaganda, die Liturgie eine Geisterbeschwörung und das christliche Leben eine Sklavenmoral“, sagte ein alexandrinischer Bischof im 4. Jahrhundert. 

Doch wer oder was ist eigentlich der Heilige Geist? Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Man könnte sagen: Der Heilige Geist ist die dritte Person der göttlichen Dreifaltigkeit. Er ist Gottes Wirkmacht in der Welt. Er ist, heilsgeschichtlich gesehen, die Art und Weise, wie Gott unter uns gegenwärtig ist, seit Jesus von den Toten auferstanden ist.

Diese Antworten sind reichlich theoretisch, Spekulationen über den Heiligen Geist. Es ist leichter, sich von der Sprache her anzunähern: Wir sagen: „Der ist ja ein hochgeistiger Mensch“, und wir meinen damit: „Der hat es verstanden.“ Das Geistige ist das, was der Verstand macht. „Geistige Tätigkeiten“ machen Leute, die mit dem Kopf arbeiten. Was aber „völlig geistlos“ ist, das ist hohl und leer. Ohne Geist kein Sinn. Wenn jemand ein „geistlicher Mensch“ ist, dann hat er es mit Gott zu tun und hat sich eine Menge Gedanken über das Leben gemacht. „Geistliche“ war früher ein Name für Ordensleute und Priester. Heute wissen wir, dass wir alle „Geistliche“ sind: Wir haben den Heiligen Geist empfangen – in der Taufe als Gabe, in der Firmung als Aufgabe – und sind berufen, von Gott Zeugnis zu geben. Wenn man uns fragt, „wes Geistes Kind“ wir sind, dann will man wissen, wovon wir leben, was uns bestimmt und wovon wir uns leiten lassen. Das Geistige ist das, was Raum und Zeit überwindet. Die Bauwerke vergangener Zeiten liegen längst in Schutt und Asche. Was die Zeit überwunden hat, das ist Dichtung, Musik und Kunst. Das Geistige ist zeitlos und ewig. Die Literatur der alten Griechen, die Musik des Mittelalters, die Kunst des Barock – es ist alles noch da. Die Überlieferung der Religionen, das Urwissen um Leben und Liebe – es hat alle Zeit überwunden, weil es geistig ist. Das Geistige und Geistliche ist mit Händen nicht zu greifen. Und doch ist es da. Seine Wirkung ist gewaltig. Erst mit ganzem Herzen können wir begreifen, wie Gottes Geist unter uns wirkt.

Wenn man in der Firmvorbereitung fragt: „Wer ist eigentlich der Heilige Geist?“, dann bekommt man kaum eine Antwort. Wenn ich aber frage: „Was bewirkt der Heilige Geist?“, dann sieht es schon anders aus. Dann fangen die Jugendlichen an zu erzählen: „Der Heilige Geist bewirkt, dass wir ein bewusstes Leben führen. Er ist die Stimme Gottes, die uns zum Guten antreibt. Er macht uns Mut, als Christen zu leben. Er schenkt uns Fähigkeiten und Begabungen. Er trägt alles Leben und hält es in Gang.“ Gottes Geist ist nur schwer zu beschreiben, aber seine Wirkungen sind offenkundig. 

Den Verfassern der Bibel ging das nicht anders. Lukas beschreibt in der Apostelgeschichte, wie der Heilige Geist auf die Jünger herabkam. „Wer ist eigentlich der Heilige Geist?“, auf diese Frage kann auch Lukas nicht so recht antworten. Deshalb spricht er, um überhaupt etwas sagen zu können, in Bildern und Symbolen. Er spricht von einem Brausen, vom Sturm, von Feuerzungen. Er beschreibt eine audiovisuelle Erfahrung, die Raum und Zeit überwindet. Doch was der Heilige Geist bewirkt, das weiß Lukas ganz genau. Dafür bedarf es keiner Bilder, hier kann er konkret erzählen, genau und detailliert: Menschen, die sich vorher fremd waren, verstehen einander: Gottes Geist schafft Verständnis. Menschen, die vorher Angst hatten, werden zu Verkündern: Gottes Geist schafft Mut und Vertrauen. Menschen, denen es schwer fällt zu glauben, geben ein profiliertes Christuszeugnis: Gottes Geist schafft Zivilcourage und Rückgrat. Es war wohl schon immer so: Wer der Heilige Geist eigentlich ist, das ist nur sehr theoretisch zu beantworten. Da fängt man schnell an zu spekulieren. Aber was der Heilige Geist bewirkt, das kann man sehr praktisch sehen und beschreiben. Das Leben selbst ist mal wieder weitaus geistvoller als die graue Theorie.

Und so wünsche ich uns an Pfingsten, dass wir spüren, was der Geist bewirken kann und dass wir ihn vor allem durch uns in die Welt hinein wirken lassen. Damit Gott nahe ist, Christus gegenwärtig wird, das Evangelium lebendig bleibt, die Kirche etwas vom Reich Gottes vermittelt, die Autorität des Geistes Kraft gewinnt, aus der Verkündigung Mission wird, die Liturgie den Himmel vermittelt und das christliche Leben Freiheit schenkt.

Ihr

Diakon Stephan Arnold