Serie: Die Messe verstehen – Eucharistisch leben (3)
„Ehre sei dir, o Herr“ – „Lob sei dir, Christus.“ Das sind oft Routinesätze vor und nach dem Vortrag des Evangeliums geworden. Aber eigentlich sind es Bekenntnisse. Sie erkennen an, dass Christus im Evangelium präsent ist – sonst würde es keinen Sinn ergeben, ihn direkt anzusprechen. Die Liturgiekonstitution betont, dass Christus „selbst spricht, wenn in der Kirche die heiligen Schriften gelesen werden“. Seine Präsenz liegt im Akt der Verkündigung. Augustinus kleidete diese Überzeugung in anschauliche Worte: „Der Mund Christi ist das Evangelium. Er thront im Himmel, aber er hört nicht auf, auf Erden zu sprechen.“
In der Verkündigung vollzieht sich ein Kommunikations- und Offenbarungsprozess. „Je tiefer Gott sich selber enthüllt, desto tiefer hüllt er sich in den Menschen ein“, schrieb der Theologe Hans Urs von Balthasar. Gott hat nicht nur nach menschlicher Art gesprochen, sondern sich selbst als Mensch ausgesprochen: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14).
Die Evangelisten schrieben die Botschaft des Heils und des gelingenden Lebens auf, die Christus verkündete. Aus dem gesprochenen Wort wurde ein Buch. Origenes verglich die Schriftwerdung daher mit der Menschwerdung: Wie das Wort Gottes einst im Schleier des Fleisches verhüllt war, so nun im Buchstaben, doch liegt darin seine Gottheit verborgen. In der Verkündigung wird dieser Prozess umgekehrt. Das geschriebene Wort wird uns neu zugesprochen. Das Wort Gottes hat eine „Sakramentalität“ inne und wird durch das Zeichen menschlicher Worte und Gesten erneut vernehmbar.
Es geht nicht in erster Linie um die Frage, was historischer „O-Ton“ Jesu war und was von den Evangelisten zusammengestellt wurde. Bedeutsam ist, dass wir in der Verkündigung Christus zu uns – zu mir! – sprechen hören. Eine Studentin drückte das einmal ganz praktisch aus: „Jedes Mal, wenn ich in der Messe das Evangelium höre, schließe ich die Augen und stelle mir vor, wie Jesus vor mir steht und die Worte vorträgt.“ Vielleicht ist das einen Versuch wert.
Aus: Marco Benini, Brannte nicht unser Herz? Die Messe verstehen. Eucharistisch leben.
Freiburg/Br: Herder 2024, S. 66., In: Pfarrbriefservice.de