St. Bonifatius Wiesbaden

Kahle Felder

GemeindebriefKatarzyna Klöckner

Foto: Maritta Lieb/Pfarrbriefservice

Wenn ich in diesem Monat an meine slowakische Heimat denke, erinnere ich mich an die Felder um mein Dorf, die nun abgeerntet sind. Ich denke an die Obstbäume in den Gärten meiner Familie und der Nachbarn, die keine Früchte und keine Blätter mehr tragen. Vergänglichkeit liegt in der Luft. Es stimmt mich wehmütig, die Felder und Bäume kahl zu sehen. Der Sommer ist nun endgültig vorbei, der Herbst mit Nebel, Nässe, Kälte und langen Abenden hat Einzug gehalten.

Vielleicht ist deshalb dieser Monat ausgerechnet der Monat, der am meisten mit dem Leben zu tun hat. Ausgerechnet die Tatsache des Todes lässt die Menschen das Leben noch mehr schätzen, wohlwissend, dass das gegenwärtige Leben kostbar ist. Wie die Geburt und die verschiedenen Lebensabschnitte, gehört auch der Tod zur Komplexität des irdischen Lebens dazu. Deshalb ist es auch wichtig, sich besonders an glücklichen, gesunden und sorgenfreien Lebenstagen Gedanken darüber zu machen. Auf Erfahrungen beruhend, beeinflusst das Bewusstsein für die eigene Endlichkeit die wichtigsten Entscheidungen im Leben. Und der Blick auf die eigene Sterblichkeit kann helfen, mit sich und mit Mitmenschen behutsamer umzugehen. Jeder Lebenstag ist in diesem Lebensraum eine neue Stufe zum anderen Raum, für die Ewigkeit.

Der ARD-Autor und Reporter Jürgen Domian moderiert seit langem die Telefon- und Nacht-Talk-Show „Domian“. Nach über zwanzigtausend Interviews ist für ihn ein Thema besonders interessant geworden: Der Tod. In einem fiktiven Interview unterhält er sich mit dem Tod über alle existentiellen Fragen des Lebens (Interview mit dem Tod, Gütersloher Verlag, 2012) und erhält eine erstaunliche Antwort:

„Im Grunde ist der Tod das Thema meines Lebens. Nicht die Liebe, nicht der Erfolg, das Glück, die Schönheit oder die Gerechtigkeit. Nein, mein Lebensthema ist der Tod. Über nichts habe ich so viel, so kontrovers, so verzweifelt nachgedacht, wie über die Endlichkeit“.

Auch in der Bibel gibt es einen Psalm, der diesen Gedanken beinhaltet: „Unsere Tage zu zählen, lehre uns. Dann gewinnen wir ein weises Herz“ (Ps 90, 12). Der Tod steht jedem Lebewesen bevor. Das Nachdenken und die Angst vor dem Tod nehmen mit dem Älterwerden zu. Im menschlichen Leben sehen wir oft leere Felder der Vergänglichkeit und vergessen dabei die volle Scheune, in die wir vieles bereits einfahren durften: Früchte der Liebe, der Arbeit, gemeinsame Feste, des Erfolgs und der Dankbarkeit. Augenblicke, in denen wir glücklich sein durften.

In diesen Zeiten des Wachsens und Werdens finden sich neben den frohen Zeiten auch Zeiten des Leids. Der Tod eines geliebten Menschen ist eines der größten seelischen Leiden, die ein Mensch auszuhalten hat. Kein Mensch wird von dieser Erfahrung verschont! Dabei wird man gewahr, wie groß die Lücken sind, die ein Dahingeschiedener hinterlassen hat im eigenen Leben. Das schmerzt!

Wenn der Herbst langsam in den Winter übergeht, denken wir als Christen über das Vergehen dieser weltlichen Reise nach und damit auch über den schmerzhaften Verlust von lieben Angehörigen, die eine große Lücke in unserem Leben hinterlassen haben. In unseren Gottesdiensten erinnern wir uns wehmütig daran, wenn wir die Namen der Verstorbenen des letzten Jahres vorlesen, ihrer gedenken und für jede/n eine Kerze anzünden.

Aber wenn diese Phase vorüber ist, dann muss die frische Lebensfreude wieder die Oberhand im täglichen Dasein gewinnen! Unser Ziel ist die Heimat im Himmel (Paulus), das Beste, was uns erwarten kann. Deshalb ist auch November der beste Monat, der uns daran intensiv erinnern kann. Für die einen ist dieser Monat „Sterbemonat“, für alle Lebenden aber der „Erinnerungsmonat“: „Memento mori“ – bewahre den Blickkontakt mit dem Tod und bereite dich vor, deinem Gott zu begegnen.

„...Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht weggenommen.“ (Präfation für die Verstorbenen).

Pfr. Peter Soltes

Maritta Lieb/Pfarrbriefservice