St. Bonifatius Wiesbaden

Schaut hin… Ökumene in St. Bonifatius mit Gemeinden des Evangelischen Dekanates

Gemeindebrief, Theologie SpiritualitätPhilippe Jaeck

Erste Station unserer Reise durch die ökumenische Landschaft: Das Evangelische Dekanat Wiesbaden - Gespräch mit dem „Ökumene Pfarrer“ Andreas Günther.

Auf unserer katholischen Seite gibt es keine Entsprechung zu der „Profilstelle Ökumene“ . Dass ich den Schwerpunkt Ökumene habe, ist eine Entscheidung unseres Pfarrers und Pastoralteams und nicht unbedingt in anderen Pfarreien so üblich.

Daher wollte ich von Andreas Günther natürlich wissen: Was hat es mit der Profilstelle Ökumene auf sich?

Durch die Profilstelle Ökumene möchten wir als Evangelische Kirche in Wiesbaden auf übergemeindlicher Ebene Verbindung zu Menschen anderer Konfessionen und Religionen schaffen und pflegen.

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Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist dabei die Vernetzung zu den anderen 15 christlichen Konfessionen, die in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) verbunden sind. Wir tauschen uns regelmäßig darüber aus, was uns bewegt, und nehmen Anteil aneinander. Wir feiern miteinander Gottesdienst, entdecken die unterschiedlichen Traditionen, Theologien und Formen der Spiritualität.

Meine Aufgabe ist es aber auch, Kontakte zu anderen Religionsgemeinschaften zu pflegen, zur jüdischen Gemeinde in Wiesbaden und zu den muslimischen Gemeinden. Dazu gibt es jedes Jahr gemeinsame theologische Begegnungs-Veranstaltungen, in denen wir uns über Texte unserer jeweiligen Heiligen Schrift austauschen. Eine meiner Lieblingsreihen ist das wandernde Friedensgebet. Hier lädt 40 Tage lang immer eine andere Glaubensgemeinschaft in ihr jeweiliges Gotteshaus ein, um für Frieden und gutes Miteinander in unserer Stadt zu beten. Ich schätze die Kultur der Gastfreundschaft und Wertschätzung, die sich darin zeigt, sehr.

Wir Katholiken reden meist pauschal von „Evangelischer Kirche“ oder von den „Protestanten“, doch so einfach ist es nicht?

Ja, es gibt ein breites evangelisches Spektrum. Aus der Reformation im 16. Jhd. sind zuerst relativ zeitgleich die beiden großen Zweige der lutherischen und reformierten Tradition gewachsen. Am einfachsten erkennt man die Unterschiede in der Liturgie. Man kann sagen, Luther wollte die Liturgie und Theologie von dem befreien, was der Bibel widerspricht, alles andere in der Tradition gewachsene kann bleiben. Die Reformierten um Zwingli hingegen wollten in ihrer Liturgie nur das haben, was die Bibel explizit vorsieht. Wenn in der Bibel nichts von Kerzen steht, dann gibt es auch keine auf dem Altar. Die Form ist deshalb reduziert auf Gesang, Predigt, Vater Unser. Reformierte und Lutheraner waren auch im Verständnis des Abendmahls sehr geteilt. Eine selbstverständliche Abendmahlsgemeinschaft gibt es erst seit 1973.

Die Evangelische Kirche in Wiesbaden gehört zur EKHN, die eine unierte Landeskirche ist. Hier sind Elemente der lutherischen und reformierten Tradition im Sinne eines „best of“ miteinander verbunden. Ich erlebte das sehr augenscheinlich auf meiner früheren Pfarrstelle in Gießen. Dort hatten wir an einem Sonntag eine Gastpredigerin aus der ev. lutherischen Kirche Bayerns. Sie wunderte sich, was wir hier für eine nüchterne reformierte Liturgie hätten. Kurz danach hatten wir einen Gastprediger aus der reformierten Schweiz, der von unserer so starken lutherischen Tradition überrascht war. Ich konnte nur sagen, dass wir halt gut uniert sind.

Das Evangelische Spektrum geht heute aber weit über diese beiden Stränge hinaus. Freikirchen, Methodisten, Baptisten, Mennoniten gehören alle dem evangelischen Zweig an. Hierüber könnte man ein ganzes Seminar lang reden.

Wie siehst Du den Stand des Miteinanders der Konfessionen und wo liegen Deine Wünsche?

Ökumene wird auf gemeindlicher Ebene an vielen Stellen großartig vor Ort gelebt, ökumenische Gottesdienste, Gesprächskreise, soziales Engagement. Eine Offenheit und ein Willkommen sein bei den Geschwistern ist eigentlich selbstverständlich. Das ist m. E. das Entscheidende. Ich erachte die Vielfalt des christlichen Glaubens als einen Segen. Sie zeigt, auf welch verschiedene Weise der Geist Gottes wehen und Menschen zu verantwortetem Handeln bewegen kann. Die Vielfalt bietet verschiedene Wohnungen im Haus des Glaubens, in dem Menschen Heimat finden können.

Für mich ist die konfessionelle Landkarte ein Ausdruck einer Einheit in Verschiedenheit. Ich würde mir wünschen, dass wir die Vielfalt noch mehr als Reichtum entdecken und die Einheit in der Vielfalt darin zum Ausdruck bringen könnten, dass wir uns alle gegenseitig an den Tisch des Herrn einladen würden, weil ER unser aller Gastgeber ist, größer als unsere Vernunft und in IHM die Gegensätze aufgehoben sind, also bewahrt, weggenommen und auf eine höhere Ebene gebracht.

Das ist das Schöne am Glauben. Er hält immer die Möglichkeit für das Geheimnis Gottes und für das Wunder offen.

Die Fragen stellte Pfarrer Matthias Ohlig