Kleiner Richtungswechsel im Gemeindebrief – mit Ihrer Hilfe
Meistens sind Sie hier im Gemeindebrief die Adressaten. Jemand von uns Hauptamtlichen schreibt etwas und Sie dürfen, müssen, sollen es lesen. Wir sind die Sender, Sie die Empfänger. Das wollen wir ab heute ein Stück weit ändern. Spätestens seit uns die Coronazeit nun die Abstände zueinander so schmerzlich bewusst gemacht hat und unsere Gemeinschaftserfahrungen so bis auf null heruntergefahren wurden, wurde uns klar, wir wollen die Möglichkeiten einander zu begegnen auf allen Ebenen und in allen Medien stärken und verbessern – auch hier im Gemeindebrief! Wer in jüngster Zeit etwas vom Zauberwort „Kirchenentwicklung“ gehört hat, den hatte auch schon vorher ein zwar fremdsprachlicher, aber trotzdem schöner und wichtiger Fachbegriff für „möglichst viel gemeinsam machen“ angelacht, nämlich: Partizipation! Beteiligung.
Ja, liebe Gemeindemitglieder, Sie sind eingeladen, den Gemeindebrief zukünftig kräftig und fröhlich, kreativ und, wenn es sein muss, auch kritisch mitzuschreiben! Die Einladung gilt Ihnen sowohl als Einzelperson, wie auch als Gruppen und Kreisen in den Gemeinden unserer Pfarrei. Was denken, fühlen und erleben Sie? Wie geht es Ihnen mit der Kirche im Großen wie im Kleinen? Was möchten Sie anderen Christen in St. Bonifatius mitteilen? Vielleicht möchten Sie mit dem Pfarrgemeinderat diskutieren? Tun sie es hier! Vielleicht möchten Sie dem Pfarrer etwas vorschlagen? Hier wäre dafür ein breites Forum.
In einer ersten Runde hatte ich Gemeindemitglieder eingeladen, ihre Erfahrungen zu beschreiben, wie es ihnen jetzt – vor allem kirchlich – in der Coronazeit ergangen ist. Zwischen Melancholie und Mut wechseln die „Tonlagen“. Auch einer der pensionierten Geistlichen, die auf schöne Weise viel mit uns in Kontakt stehen, hat diese Einladung angenommen. Dankeschön für diese Stimmen aus St. Bonifatius! Raus aus der Einbahnstraße! Der Gemeindebrief pflegt ab jetzt „kommunikativen Gegenverkehr“! Machen Sie mit und schreiben Sie uns! Herzliche Grüße!
Stefan Herok
Vielfalt zulassen …
„Die vielen sehr verschieden Gottesdienstübertragungen, die ich während der Coronazeit im Fernsehen und im Internet gesehen habe, bestärken in mir in die Annahme und Erwartung, dass wir nach der Coronazeit in unseren Gemeinden eine größere Vielfalt von Ausprägungen und Lebendigkeit des einen katholischen Ritus der Eucharistie ermöglichen und zulassen sollten… Und auch die Ökumene weiter stärken!“
Rainer Baumann
Wer?
„Wer drückt den Alleinstehenden die Hand?
Umarmt sie, wenn man sie in Trauer fand?
Wer sagt den Kindern, ihr seid wieder frei?
Springt und lauft, ruft eure Freunde herbei?
Wer singt den Alten die vertraute Melodie,
wenn sie alles vergessen und nur dies blieb für sie?
Wer nimmt die Angst den Kranken, den Müden?
Ohne vertraute Gesichter finden sie keinen Frieden.
Wer tröstet die Trauernden? Wer lindert den Schmerz,
wenn ohne Abschied bleibt Auge, Hand und Herz?“
Annemarie Fuhrmann
Angenehm überrascht …
„Ich habe in drei der Kirchen bisher Gottesdienste mitgefeiert – ich hatte Schlimmeres befürchtet! Das kann ich auch positiv ausdrücken: Bin angenehm überrascht, dass es doch trotz Abstandsregeln eine Gemeinschaft gab! Aber: die Sehnsucht nach der langen Zeit mit Online-Gottesdiensten und jetzt eben nur an den vier größeren Kirchen, da wächst schon die Sehnsucht nach Liturgie in der „eigenen“ vertrauteren Kirche, eine Art Heimweh …
Liebe Grüße!“
Renée Jaschke
Traurigkeit
„Was macht das mit Kindern, wenn sie alleine zu Hause vor Aufgaben sitzen,
statt gemeinsam mit Klassenkameraden in der Schule?
Wenn Sportunterricht, AGs und Hobbys ausfallen, also genau das, was ihnen Spaß macht?
Wenn Treffen, Feiern und Feste abgesagt werden?
Wenn nur noch die „lästige Pflicht“ übrig bleibt?
Wundert es dann, wenn sie schlecht schlafen und morgens nicht aufstehen wollen?
Wundert es, wenn sie betrübt, ungeduldig und unausgeglichen sind?
Wenn sie traurig sind und sich leer fühlen?
Trauer tragen wir doch alle, denn unsere Unbekümmertheit fehlt.
Wir fühlen uns vom eigenen Leben abgekoppelt…“
Tina Christmann
Mein Glaube ist mein Fallschirm!
„Ich bin in der glücklichen Lage in dieser Zeit sehr entspannt zu sein. Nicht nur weil ich zu unserem großen Glück finanziell unbelastet durch diese Zeit gehen kann, sondern auch, weil ich Menschen um mich habe, mit denen ich in einem bereichernden Austausch bin. Es tut mir gut, frei von Kirche im üblichen Sinn zu sein! Ich habe mir durch diese Freiheit angewöhnt, nach zu mir passenden Angeboten zu suchen. Da ist der tägliche Impuls aus Frankfurt und ein wöchentlicher Newsletter von den Jesuiten (zu beziehen über: newsletter@jesuiten.org). Die Video-Impulse von unserem Pastoralteam und die aus dem Wiesbadener Osten.
Dinge, auf die man stößt, wenn man das Internet durchforstet oder sich mit anderen austauscht... Und dann ist es schön, in unserer offenen Kirche St. Michael sonntags zur Gottesdienstzeit mit einigen Gemeindemitgliedern zum Gebet zusammen zu kommen. Da spürt man, dass man nicht allein ist. Gemeinschaft trägt. Was ich mir wünsche ist, bald wieder nach Amerika reisen zu dürfen, um dort meine Familie besuchen zu können. Aber ich bin dankbar dafür, mit der Fähigkeit gesegnet zu sein, ohne Angst in dieser Zeit zu leben. Mein Glaube und mein Gottvertrauen sind mein Fallschirm. Schön, dass ich mir das mal aufschreiben konnte!“
Gabriele Dries
Foto: Sergei / Adobe Stock
Corona und die Frage nach Gott
„Hat Gott bei der Entstehung und der weltweiten Verbreitung des Coronavirus seine Hand im Spiel? Anders gefragt: Ist Gott wirklich gütig? Liebt er seine Schöpfung und seine Geschöpfe, wenn er ungezählte Menschen krank werden und viele so sterben lässt? Manche meinen – und sie erinnern an die Erzählung von der Sintflut – dass diese Krankheit eine Strafe Gottes sei für die Sünden der Menschen. Da ist Jesus ganz anderer Meinung. Er sagt bei der Heilung eines Blindgeborenen (Joh 9,2) „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt“. Und bei dem Einsturz eines Turms in Jerusalem, bei dem einige Männer getötet wurden, sagt er, dass die Getöteten keine größeren Sünder waren als alle anderen (Lk 13,4).
Aber warum gibt es Bakterien und Viren, warum gibt es Krankheiten? Ich habe dafür keine Antwort. Ich sehe nur, dass es in der Schöpfung Gottes auch dunkle Seiten gibt: Erdbeben, Vulkanausbrüche, Sturmfluten, Hitze und Dürreperioden, Eiszeiten, Heuschreckenschwärme. Ich sehe, dass unsere Erde und erst recht das Universum sich entwickelt hat und weiter sich in einem Entwicklungsprozess befindet, dessen Ende nicht abzusehen ist.
Unser Bischof hat in seiner Predigt in der Osternacht mit Verweis auf die Symbole Feuer, Wort, Wasser und Brot und Wein gesagt: „Gott ist ein Gott des Lebens“. Und zum Leben gehört auch das Sterben. Auch Jesus, der geliebte Sohn Gottes, musste sterben; grausam wurde er hingerichtet. Aber das war nicht das Ende. Auferstanden von den Toten lebt er für immer in der Herrlichkeit Gottes und verborgen unter uns. Und so haben auch wir eine Perspektive. Wir haben eine Zukunft, die über den Tod hinaus geht: das ewige Leben. Gott hat uns in eine vorläufige und gebrochene Welt hineingeschaffen. Hier sollen und müssen wir uns bewähren, zusammen mit unseren Mitmenschen. Und Gottes Liebe zu uns Menschen – so glaube ich – besteht darin, dass er uns begleitet und Kraft gibt, unsere Lebensaufgabe zu bewältigen, auch in den dunklen Stunden.“
Pfarrer i.R. Franz Meister
Danke für die Einladung!
„Vielen Dank für die Einladung am Gemeindebrief mitzuschreiben! Meine Sicht auf Kirche, Welt und Leben ist aktuell folgende: In der Corona-Zeit gab es schöne, ansprechende Gottesdienst-Übertragungen im ZDF (Sonntag 9:30–10:15 Uhr) . Die Hospitalkirche St. Joseph in Bensheim mit nur wenigen, vor allem jugendlichen Teilnehmerinnen/Teilnehmern brachte sehr wirksam den Gottesdienst in eine breite Öffentlichkeit. Das hat mir gefallen, das hat mich angesprochen. Hier liegt für die Zukunft der Kirche noch ausbaufähiges Potential. Christen sollen durch Gastfreundschaft auffallen. Berührungsängste sollten ihnen fremd sein. Sie könnten z. B. in die eigene Wohnung einladen (zu einer Tasse Tee oder Kaffee) und ein christliches Umfeld zeigen („Kommt und seht...“). Christen sollten die leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit kennen und sie im praktischen Leben einladend vermitteln. Das Tragen von Masken sehe ich aus zwei Perspektiven: Schutz vor Ansteckung des Corona-Virus: ja! Die Maske sollte aber nicht zum Verbergen unserer Überzeugung beitragen, sondern Bekenntnisfreude wecken, wenn Glaube und Kirche ins Gespräch kommen. Es gibt viele Wege, christlichen Glauben unter Menschen zu bringen. Ich denke z.B. an Verkehrsmittel. Zwei Aufkleber kennzeichnen mein Fahrrad: „Mobilität ist teilbar“. Ein Wunsch an die Kirche von Wiesbaden: Vesper am Sonntagnachmittag? Auch ein Weg zur Sonntagsheiligung im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils. Ihnen und dem Pastoralteam herzliche Grüße!“
Josef Fuhrmann
Foto: Stefan Herok
Das werte ich für mich als Gewinn…
„Bisher habe ich mich damit schwer getan, eine Messe unter Beachtung der Corona-Vorsichtsmaßnahmen zu besuchen, kenne daher die Situation dort nur von außen, also von Berichten der Bekannten. So habe ich seit Beginn der allgemeinen Pandemie-Restriktionen in anderen Gefilden „gewildert“ – den Gottesdienstübertragungen im Fernsehen. Die waren bis jetzt für mich eine „terra incognita“.
Vergleiche ich die Messfeiern in der eigenen Gemeinde mit ihren eingeschliffenen liturgischen, musikalischen und organisatorischen Abläufen mit denen der im Fernsehen gezeigten, so ist mir einiges sehr positiv aufgefallen. Gottesdienste beider Konfessionen aus anderen Regionen – wenn auch nur indirekt – mitzuerleben, ihnen unter anderen Bedingungen und anderer Diktion zu folgen, war für mich ein Gewinn. Wann bekommt man schon die Gelegenheit, Predigten des derzeitigen EKD-Ratsvorsitzenden, Heinrich Bedford-Strohm oder seines Vorgängers, Wolfgang Huber zu hören? Oder den Gottesdienst aus dem Freiberger Dom in Sachsen mitzuerleben, den ich als Tourist bisher nur als Architektur-Kunstwerk bestaunte, der nun aber nicht mehr „leer“ war, sondern als Kirche lebte.
Ebenso der beeindruckende Karfreitagsgottesdienst aus der Krypta der Dresdner Frauenkirche, sowie auch die Übertragungen aus unserer näheren Umgebung: aus der Saalkirche in Ingelheim und der Hospitalkirche in Bensheim. Diese Erfahrungen möchte ich nicht missen. Das werte ich unbedingt als eine positive Erfahrung der Corona-Zeit.
Ich muss aber feststellen, dass mir die Zuschauerrolle auf Dauer nicht genügen wird. Es fehlte etwas: eine Gemeinde, die sich in vertrauter Umgebung versammelt, um die Eucharistie zu feiern.“
Rainer Lemberg