Liebe Gemeinde,
im Rahmen unseres Kirchortfestes am 26. August 2018 feiern wir auch mein 25jähriges Dienstjubiläum. Gleichzeitig sind es auch genau 20 Jahre Seelsorge am Kirchort Maria Hilf. Sehr dankbar schaue ich auf diese Zeit zurück und möchte Sie gerne in einzelnen Gedankenblöcken an diesen Jahren, diesem Dienst, den Entwicklungen und unzähligen Begegnungen teilhaben lassen.
Wer oder was bin ich?
„Und was machst Du beruflich?“, „Ich bin Gemeindereferent!“, „Also in der Verbandsgemeinde!“, „Nein, ich bin Seelsorger in der katholischen Kirche!“, „Also Pfarrer!“, „Nein, pastoraler Mitarbeiter!“, „Und was macht man da so?“, „Ich besuche Kranke, feiere in Altenheimen Gottesdienste, begleite Menschen in ihrer Trauer oder auch im Sterben, ich beerdige, …“, „Also doch Pfarrer!?“, „Neiiiiiiiiiin!“ … Oder bei Hausbesuchen: „Schön, dass Sie da sind Herr Pfarrer Schuh!“, „Ich bin Gemeindereferent, nicht Pfarrer!“, „Na gut, dann kommen Sie mal rein Herr Pfarrer!“ … Wie oft habe ich in 25 Dienstjahren solche Dialoge führen müssen. Das macht deutlich, dass der Begriff und auch unser Dienst als Gemeindereferent/in unserer Gesellschaftlich immer noch unbekannt ist (Pastoralreferenten/innen teilen dieses Schicksal). Und es ist auch so: dieser Beruf ist „unbeschreiblich“. Am besten passt das Leitwort unseres Bistums: „Mehr als Du siehst!“ Neben den vielen seelsorglichen und liturgischen Diensten, die viele noch ausschließlich mit einem Pfarrer verbinden, besteht ein großer Teil der Arbeit darin zu vernetzen, Dinge anzustoßen, Kontakte herzustellen. Oder auch sicherzustellen, dass unser so komplexes Pfarrei-Leben (besonders in der großen Pfarrei) überhaupt funktioniert. Da müssen viele Teams von Ehrenamtlichen begleitet, angeleitet oder auch ausgebildet werden: Katecheten, Freizeitbetreuer, Ortsausschüsse, Kindergottesdienst- und Wortgottesdienstleiter, Liturgiehelfer, Messdiener, Sternsinger, Besuchsdienste, … Da müssen Veranstaltungen geplant und koordiniert, Finanzen kalkuliert und abgerechnet, Zuschüsse beantragt und Räumlichkeiten, Häuser oder auch Segelschiffe gebucht werden. Nicht selten geht es auch um notwendige bauliche Reparaturen oder Veränderungen an unseren Kirchorten oder die Nutzung der Räumlichkeiten. Ein Problem hier, eine Rückfrage dort, eine eingebrachte Idee, die eine Umsetzung lohnt, … Aber gerade diese Vielfalt macht diesen Beruf auch interessant und spannend. Ja – ich bin gerne Gemeindereferent!
Foto: Philippe Jaeck
An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich meiner Familie danken, die diesen „unbeschreiblichen“ Beruf mitträgt: die ungeregelten Arbeitszeiten, Abend- und Wochenendtermine, Arbeit an Feiertagen und „langen Wochenenden“, wo andere frei haben oder sogar verreisen.
Weggefährten und Lebensabschnittsgefährten
Es waren unzählbare Menschen, die ich und die mich in diesen Jahren begleitet haben, die gute „Weggefährten/innen“ waren. Ob Kommunionkinder und deren Eltern, die Sternsinger, Teilnehmer und Betreuer bei unzähligen Freizeiten, Firmlinge, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Pfarrgemeinderat, Verwaltungsrat, Jugendausschuss, verschiedenste Arbeitskreise. Begegnungen mit Bewohnern und Mitarbeitern in den Altenheimen, Kindergartenkinder und Eltern, Erzieherinnen, Schüler und Lehrer, Jugendkirche, Nachbarn, Senioren, Kollegen an anderen Kirchorten, in anderen Pfarreien. Unsere Pfarrsekretärinnen, Küster, Hausmeister und Organisten, Praktikanten und Assistenten und nicht zuletzt die große Zahl an Ehrenamtlichen und Gemeindemitgliedern, die mit mir in diesen vielen Jahren „unterwegs“ waren. Da gibt es Jahrelange Zusammenarbeit mit inzwischen ganz vertrauten Menschen. Da gibt es Menschen, die man nur in bestimmten Phasen begleitet (z.B. Trauerbegleitung). Da gibt es Ehrenamtliche, mit denen man über einen kurzen Zeitabschnitt oder über viele Jahre (inzwischen mit manchen schon zwei Jahrzehnte) vertrauensvoll zusammenarbeitet. Es gehen zwar auch viele Menschen weg oder ziehen sich zurück. Aber immer wieder kommen neue gute Menschen dazu, die sich in unserer Gemeinde mit viel Herzblut engagieren. Ich durfte diese unzähligen Begegnungen (mit nur wenigen Ausnahmen) immer sehr positiv erleben und bin hierfür unendlich dankbar. Ich durfte mit unzähligen Menschen zusammenarbeiten, die guten Willens waren, die sich für unseren Glauben eingesetzt haben, mit ihrem Leben Zeugnis für diesen Glauben ablegten. Da war ich keineswegs immer der Gebende. Sehr oft wurde ich reich beschenkt. Besonders denke ich an viele alte und kranke Menschen, die trotz schwerer Einschränkungen immer treu ihren Glauben lebten und ich erleben durfte, wie sehr sie dieser Glaube trägt – besonders in schweren Zeiten.
Unsere Verstorbenen
Besonders oft denke ich in diesen Tagen auch an die Menschen, mit denen man viele gemeinsame Jahre in der Gemeinde aktiv war, die aber inzwischen verstorben sind. Viele habe ich selbst beerdigt. Nicht wenige auch im Sterben begleitet. Da sind über Jahre Vertrauen und Beziehungen gewachsen und es ist, als wäre ein enger Freund oder Angehöriger gestorben. Da stirbt jedes Mal auch ein Teil meines Lebens. Immer wieder denke ich besonders bei unseren Ehrenamtlichen-Festen oder bei unseren großen Seniorenveranstaltungen, wer doch alles noch vor wenigen Jahren dabei war und jetzt „fehlt“. Auch darunter waren viele, die mir in meinem Dienst sehr gut getan und mich bestärkt haben. Es ist gut, sie in Gottes liebenden Händen zu wissen. Und vielleicht gibt es ja doch noch irgendwann ein Wiedersehen. Mich würde das sehr freuen! (Hat aber noch etwas Zeit!)
25 Jahre Veränderung
Während ich in meinen ersten 5 Dienstjahren (2 Jahre in Frankfurt-Nied als Assistent, anschließend 3 Jahre in Flörsheim) bereits 3 verschieden Pfarrer als Dienstvorgesetzte erleben durfte, wurden hier in Wiesbaden die ersten Pläne für die „pastoralen Räume“ entwickelt. Als ich 1998 nach Wiesbaden kam, waren diese bereits eingerichtet. Maria Hilf bildete mit St. Elisabeth und St. Klara (Klarenthal) einen „Pastoralen Raum“. Haupt- und Ehrenamtliche waren sehr bemüht. Es gab gemeinsame Konzepte und eine gute Zusammenarbeit. Schon bald stellt man aber fest, dass der „tortenartige“ Zuschnitt der pastoralen Räume in Wiesbaden Probleme mit sich bringt und man besser den ganzen Innenstadtbereich zu einem pastoralen Raum macht. Also wieder von vorne: Neue Kontakte, neue Teams, neue Konzepte. Im Laufe der Jahre wurde deutlich, dass auch die pastoralen Räume nicht die Probleme lösen. Also: Gemeinden zusammenschließen. Zwischen Maria Hilf und St. Elisabeth hatte sich bereits die Zusammenarbeit im ersten pastoralen Raum bewährt. Ideen, uns auch gleich mit St. Andreas und Dreifaltigkeit zu „Innenstadt-West“ zusammenzuschließen wurden vom Bistum abgelehnt. Also: Plan für die neue Pfarrei „Heilig Geist“ (Maria Hilf und St. Elisabeth): planen, Konzepte und Strukturen erarbeiten, neue Internetseite, neues Logo, neuer Pfarrbrief, … Sehr viel Zeit und Herzblut wurde von vielen Seiten investiert. Und ich sah, dass es gut war!
Dann wurde doch festgestellt, dass die Pfarrei der Zukunft größer sein muss. Also: wieder von vorne anfangen. Konzepte entwickeln, Arbeit umstrukturieren, Einrichten eines zentralen Pfarrbüros, neues Team, … Und das ganze begleitet von vielen technischen Herausforderungen – besonders in der EDV.
Was alles noch erschwerte, waren die häufigen Pfarrerwechsel. Nach dem Weggang von Pater Arthur Pfeifer übernahmen zunächst Pater Hermann Sackarend, Pater Klaus Gröters und zuletzt Pater Norbert Possmann die Gemeindeleitung. Unter Pfarrer Klaus Waldeck wurde dann „Heilig Geist“ gegründet. Mit der Planung zur Großpfarrei wurden Johannes zu Eltz, Pfarrer Wolfgang Rösch, in der Vakanz Pfarrer Stephan Gras und nun Pfarrer Klaus Nebel unser Gemeindeleiter und Dienstvorgesetzter. Haben Sie mitgezählt? Das war im Schnitt alle zwei Jahre ein neuer Dienstvorgesetzter und Leiter der Pfarrei. Dazu kommen viele Stellenwechsel bei den Pastoralen Mitarbeitern. Es ist unfassbar, was hier den Pfarreien/ der Pfarrei zugemutet wurde.
All das hat sehr viel Kraft gekostet und auch Ängste ausgelöst. Ich glaube, dass viele Sorgen bezüglich der größer werdenden Pfarrei sehr stark mit dieser großen personellen Instabilität zusammenhängen. Umso dankbarer bin ich all denen, die sich davon nicht haben abschrecken lassen, ihrer Gemeinde treu geblieben sind und auch konstruktiv an der großen Gemeinde mitarbeiten! Es gibt immer mehr positive Erfahrungen mit der Großpfarrei: besonders bei den Messdienern, Firmlingen, Erstkommunionkindern, Segelfreizeit, Zeltlager und vielem mehr. Herzlichsten Dank an alle, die sich nicht enttäuscht zurückziehen, sondern diese neue Form der Pfarrei mit Leben füllen! Ich bin davon überzeugt: es lohnt sich!
Vertrauensverlust – Vertrauensvorschuss
Die katholische Kirche hat in diesen Jahren viel Vertrauen eingebüßt. Nicht nur Missbrauchsskandale und deren Vertuschung sowie Fehlverhalten unseres früheren Bischofs, sondern auch eine sehr deutlich spürbare Abkehr vom Glauben (auch bei Protestanten und anderen Konfessionen) haben unsere Glaubwürdigkeit deutlich gemindert. Auch im täglichen Dienst und im Privatleben erlebe ich immer häufiger, dass man besonders als Katholik sofort in eine negative Schublade gesteckt wird: Du bist Teil einer reichen, verlogenen, muffigen und längst überholten Kirche. Und da solche Bemerkungen sich meist nur auf Stammtischniveau bewegen und man an einem echten Austausch nicht interessiert ist, bleibt wenig Raum, ein Umdenken anzustoßen.
Gleichzeitig erlebe ich aber auch, dass wir in persönlichen Gesprächen (z.B. Trauergesprächen, im Austausch mit anderen Institutionen, …) immer noch einen unglaublichen Vertrauensvorschuss genießen. Ich bin immer wieder erstaunt, was fremde und auch kirchenferne Personen uns anvertrauen an persönlichen Problemen, Konflikten in der Familie oder am Arbeitsplatz, Sorgen und Nöten. Auch die Zusammenarbeit mit den vielen nichtkirchlichen Institutionen läuft äußerst vertrauensvoll und wohlwollend. Vielleicht stehen wir als Kirche doch nicht ganz so schlecht da, wie wir manchmal glauben. Ich bin sehr dankbar für dieses Vertrauen, was mir von fremden und auch von vertrauten Menschen in meinen Dienstjahren entgegengebracht wurde.
Fazit
So vieles gäbe es noch zu sagen. Mit allen Höhen und Tiefen dieser Jahre fühle ich mich reich beschenkt mit unzähligen Begegnungen, Erlebnissen, Beziehungen und Freundschaften, die sich in all den Jahren entwickelt haben. Ich bin zutiefst dankbar für das gute Miteinander mit allen Kollegen/innen, Ehrenamtlichen und allen Gemeindemitgliedern. Ich würde mich sehr freuen, viele dieser „Weggefährten/innen“ bei meinem Dienstjubiläum begrüßen zu dürfen.
DANKE für diese guten Jahre! Gott segne Euch!
Andreas Schuh, Gemeindereferent (nicht Pfarrer!)