St. Bonifatius Wiesbaden

Über die Fastenzeit

Theologie SpiritualitätAutor

Pfarrer Klaus Nebel über die Vorbereitungszeit auf Ostern

Mit dem Aschermittwoch treten wir in die österliche Bußzeit, in die Fastenzeit ein. Diese Zeit dient dazu, uns auf das Osterfest vorzubereiten, wieder neu zur eigentlichen Mitte des Lebens zu finden, die Christus ist, da er uns in seinem Tod und seiner Auferstehung das neue Leben geschenkt hat.

Fasten meint, verzichten zu können, nicht alles haben zu müssen, über den Dingen zu stehen und gegenüber der Welt des Konsums frei zu sein. Wer so fastet, gewinnt nicht nur einen tieferen Sinn für die Schönheit und den Wert der Dinge, sondern erkennt auch deutlicher die Not des Anderen. Wer fastet, gewinnt daher die Freiheit für den Dienst am Nächsten.

Heute wird aus verschiedenen Gründen gefastet. Man fastet aus medizinischen oder aus ästhetischen Gründen. Doch dabei bleibt der Blick immer auf dem eignen Ich haften, denn es geht um das eigene Wohlbefinden oder um das eigene Aussehen. Das christliche Fasten folgt dagegen einem anderen Verständnis: Im Verzichten sieht der Mensch nicht auf sich, sondern er sieht von sich ab, er stellt sich nicht in den Mittelpunkt des eigenen Lebens, sondern gewinnt das, was wir Selbstlosigkeit nennen. Dieses „Von-sich-absehen“ lässt nach der neuen Blickrichtung des Lebens fragen. 

Im Fasten wenden wir unseren Blick zu Christus, der uns in vollkommener Selbstlosigkeit aus Liebe am Kreuz sein Leben hingegeben hat. Das Fasten lässt uns so wieder eintreten in diese Selbstlosigkeit Christi, lässt uns das neue Leben gewinnen und schenkt uns darin jene Liebe, die im Dienst am Nächsten fruchtbar wird.

So wünsche ich Ihnen allen eine österliche Bußzeit innerer Erneuerung und dann ein gesegnetes Osterfest.

Klaus Nebel, Pfarrer

Der Sinn der Fastenzeit

Die Fastenzeit ist ein fester Teil des Kirchenjahres. Neben der besonderen Gestaltung der Liturgie in dieser Zeit sind wir eingeladen, unser Leben mehr in Beziehung mit Gott zu bringen.

Die Fastenzeit ist die österliche Bußzeit, die 40 Tage dauernde Vorbereitung auf Ostern. Sie beginnt unmittelbar nach Fasching mit dem Aschermittwoch und endet mit der Osternacht. In dieser Vorbereitungszeit geht es um ein Fasten, das wir selbst gestalten können. Unser Fasten kann richtig oder auch falsch sein. Vom Letzteren erzählt eine Geschichte:

“Ein Igel stieß auf einen Garten, prall gefüllt mit herrlichen Früchten. Aber der Garten war von allen Seiten mit stabilem Maschendraht umzäunt. An einer Ecke freilich entdeckte der Igel eine winzige Öffnung. Durch die wollte er eindringen. Allein der mögliche Durchschlupf war zu eng. Da beschloss er, so lange zu fasten, bis er sich hindurch zwängen könne. Es dauerte geraume Zeit und kostete wohl auch einige Anstrengung bis der Igel hinreichend abgespeckt hatte. Endlich im Garten angekommen, schlug er sich ein ums andere Mal mit den wunderschön reifen Früchten den Bauch voll – und, wie sollte es anders sein, zügig nahm er zu. Irgendwann sehnte sich der Igel zu seinen Gefährten zurück. Aber als er den Garten verlassen wollte, stand er vor demselben Problem wie zuvor, als er hinein gewollt hatte: Er war zu fett. Erneut war Fasten angesagt. Als er es endlich hinaus geschafft hatte, drehte er sich noch einmal um und sagte: „Garten, Garten! Du bist schön und deine Früchte schmecken herrlich. Nutzen aber hat man von dir nicht, denn hungrig nur kommt man in dich hinein und hungrig nur schafft man es wieder heraus!” Und die Moral von der Geschicht‘ – Falsches Fasten lohnt sich nicht!” [Aus einer Predigt von Pater Manuel Marten OP bei den Dominikanerinnen von Bethanien, Schwalmtal, 18.03.2014.]

Was ist ein richtiges Fasten? Im Judentum sind die Fastentage nationale Trauertage. Zum Beispiel die neun Tage des Monats Aw (Juli/August), an denen der Zerstörung des Tempels durch die Babylonier im Jahre 586 v.Chr. und durch die Römer im Jahre 70 gedacht wird. [Vgl. D. Cohn-Scherbok: Judentum, Freiburg im Breisgau 2000, S.129.]
Der jüdische Rabbiner S. Ph. De Vries drückt das Fasten in diesen Worten aus: “Man leidet, man klagt. Und man wendet sich an den himmlischen Vater und betet. Mit und durch das Fasten fleht man um Gottes Beistand, dass Er das Unheil abwendet. Fasten und beten gehören zusammen: ‘Erhöre uns Gott, erhöre uns an unserem Fasten- und Bußetag, denn in großer Not sind wir. Wende dich nicht zu unserer Gesetzlosigkeit, verbirg nicht dein Angesicht vor uns, und entziehe uns nicht die Gnade, uns unsere Bitte zu gewähren. Sei unserem Flehen nahe, damit deine Liebe uns tröstet. ... Denn du, Gott, bist es, der in Zeiten der Not antwortet, Erlöser und Retter in der Zeit der Not und der Drangsal.’” [S. Ph. De Vries: Jüdische Riten und Symbole, Wiesbaden 1981, S. 136, 139.]

Über den Verzicht von Nahrungsaufnahme und der Anwendung der Asche zum Zwecke der Buße lesen wir im Buch des Propheten Jona: “..Der König … legte seinen Königsmantel ab, hüllte sich in ein Bußgewand und setzte sich in die Asche. Er ließ in Ninive ausrufen: …. Alle Menschen und Tiere… sollen nichts essen, nicht weiden und kein Wasser trinken.” (Jon 3, 6-7)

Unser christliches Fasten hat seine Wurzel im Judentum. “Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium”- diese Worte bei der Austeilung der Asche am Aschermittwoch laden uns ein, uns vom Bösen abzuwenden und im Geiste Gottes nach dem Beispiel Jesu zu leben. Auch Jesus fastete 40 Tage in der Wüste. Trotz großer Versuchungen durch den Teufel blieb er Gott treu. 
In der Fastenzeit denken wir an das Leiden und den Tod Jesu. In den Kreuzwegandachten und anderen Gebeten findet auch das Leiden und Klagen unserer Welt Ausdruck. Wir bitten um die Hilfe und den Beistand Gottes. 

Nach dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi erhält unser Fasten einen neuen Sinn - die Erwartung des kommenden Herrn. Durch seinen Tod befreit uns Christus von der Sünde, durch seine Auferstehung eröffnet er uns den Zugang zu einem neuen Leben bei Gott. Durch das Sakrament der Buße und der Versöhnung schenkt uns Gott schon jetzt einen Teil dieses neuen Lebens.

Der Verzicht auf Nahrung und andere Entbehrungen sind als Hilfe gedacht, um in eine tiefere Beziehung mit Gott einzutreten.  

Auch für uns gelten die Worte des Propheten Jesaja: “Das ist ein Fasten, wie ich (Gott) es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.”(Jes 58,6-7) Wir haben viele Gelegenheiten dazu: Flüchtlingen helfen; für die Misereor-Fastenaktion 2016, die dem Land Brasilien gilt, spenden; bedürftigen Menschen in unserer Umgebung Hilfe anbieten.

Zu einem richtigen Fasten gehört die Erneuerung der Beziehung mit Gott, wobei das Beten und die Umkehr einen wichtigen Platz einnehmen. Zu einem richtigen Fasten gehört ebenso, den Notleidenden zu helfen. Durch ein richtiges Fasten können wir selbst etwas heiler werden. Darum gilt auch für uns: “Falsches Fasten lohnt sich nicht.” 

Sr. Katrina Dzene
Gemeindereferentin