St. Bonifatius Wiesbaden

Ausgebremst!

Gemeindebrief, Aus dem Leben der PfarreiPhilippe Jaeck

Liebe Gemeinde, wie vielleicht der ein oder andere von Ihnen erfahren hat, wurde ich wenige Tage vor Ostern ausgebremst. Mit dem Fuß „umgeknickt“, Knöchel gebrochen, sechs Wochen krankgeschrieben, sechs Wochen eine Schiene tragen, ausgebremst.

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Ostern stand vor der Tür mit all seinen Gottesdiensten. Der ein oder andere Besuch war geplant. Nach den Feiertagen hätte ich Urlaub gehabt. Auch hierfür gab es viele Pläne: Arbeiten in Haus und Garten, Wanderungen, Besuche und vieles mehr. Aber nein – ich wurde ausgebremst. Alle Pläne wurden über den Haufen geworfen, weil ich einen Moment nicht aufpasste.

Nach den ersten Tagen der Ruhe habe ich, da ich den Fuß in der Schiene belasten durfte (und auch sollte), mit Schiene und Krücken nach und nach größere Runden durch unsere Straßen gedreht. Ich traf unzählige Menschen, die ich zum Teil seit meiner Kindheit kenne. Wenn man sonst aneinander vorbeifuhr, grüßte man sich immer herzlich. Aber die Zeit, mal stehenzubleiben, mal zu hören, wie es dem anderen geht, die fehlte immer. Eigentlich habe wir sie uns einfach nie genommen. Nun war ich ausgebremst und hatte alle Zeit der Welt. Wir kamen in intensive Gespräche. Wir erinnerten uns an frühere Zeiten mit ihren Höhen und Tiefen und sprachen auch über Freud- und Leidvolles heute. Ein älterer Herr erzählte mir von seinem mühsamen Weg nach dem Schlaganfall zurück in ein Stück Normalität. Ein ehemaliger Klassenkamerad erzählte von schweren gesundheitlichen Problemen, die er nur mit starken Medikamenten halbwegs im Griff hat. Andere zeigten mir, wie sie im Laufe der Jahre den Garten der Eltern umgestaltet hatten. Einen Garten, in dem ich als Kind oft gespielt hatte. Ich erfuhr manches über die Entwicklung der Kinder meiner Klassenkameraden und früheren Freunde. Aber auch über das Altwerden und Sterben der Generation meiner Eltern. So vieles mehr könnte ich noch aus diesen sechs Wochen erzählen. Es war eine Zeit voller Begegnungen, voller Gespräche. Es war eine Zeit, die mir die Augen für mein engstes Umfeld öffnete. Zeit für meine Nachbarn, Zeit für meine Familie. Zeit, um richtig „runterzufahren“. Eine Zeit zum Nachdenken. Oft saß ich abends bis in die Dunkelheit hinein auf dem Balkon ohne Handy, ohne Buch, einfach „nur so“. Viel Zeit in Stille, viel Zeit zum Gebet. Es war eine gute Zeit. Es war eine zunächst ungeplante und unwillkommene Zeit, die aber von Tag zu Tag kostbarer wurde. Es war eine Zeit, die ich immer mehr als Geschenk wahrnehmen durfte.

Ausgebremst – zum Glück!

Oder besser: Ausgebremst – Gott sei Dank!

Himmlischer Vater,
ich danke Dir von ganzem Herzen für Dein Ausbremsen und diese Auszeit!
Ich bitte Dich:

Bremse mich öfters aus, damit ich zu mir komme.
Bremse mich öfters aus, damit ich die Welt um mich herum intensiver wahrnehme.
Bremse mich aus, damit ich besser Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden kann.
Bremse mich aus, dass ich zu mir – und auch zu Dir – komme.
Du musst mir dafür ja nicht gleich wieder den Knöchel brechen.
Aber wenn das notwendig ist, um mich auszubremsen, dann will ich das gerne annehmen, denn ich weiß, es kommt aus deiner guten und liebevollen Hand.

Bitte – bremse mich immer wieder aus!

Ich wünsche Ihnen für die kommende Sommerzeit Zeiten der Ruhe, Zeiten des „Herunterfahrens“, Zeit für Gespräche mit Nachbarn, Zeit für Stille, Zeit zum Gebet, Zeit in Gottes wunderbarer Schöpfung, Zeit für wertvolle Begegnungen. Und das Ganze wünsche ich Ihnen natürlich ohne Knochenbrüche. Und wenn es doch geschieht? Vielleicht will uns Gott dann damit auch etwas sagen. Vielleicht!

Ich wünsche eine gesegnete und segensreiche Sommer- und Urlaubszeit!

Ihr Andreas Schuh, Gemeindereferent