St. Bonifatius Wiesbaden

Heiteres Licht vom herrlichen Glanze

GemeindebriefPhilippe Jaeck

Gerade in den Sommermonaten kann man es immer wieder sehen: Bei strahlend blauem Himmel suchen Menschen am Abend etwa einen Strand auf, einen schönen Aussichtspunkt oder den Gipfel einer Anhöhe oder eines Berges, um den Sonnenuntergang bestaunen zu können.

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Kürzlich befand auch ich mich wieder unter diesen Staunenden. Dabei habe ich etwas Interessantes beobachtet: Eine Gruppe junger Menschen war in einiger Entfernung am Feiern. Mit Essen und Trinken und lauter Musik hatten sie sich ins Gras gesetzt. Als die Sonne dem Horizont entgegen sank und sich ihre Farbe immer weiter ins Rot verschob, wurde die feiernde Gruppe auf einmal merklich ruhiger. Man stellte die Musik ab. Und als der Sonnenuntergang einsetzte, wurde kaum noch gesprochen. In beinahe andächtiger Stille hatten die jungen Leute offenbar nur noch Augen für dieses wunderbare Naturschauspiel. Offenbar wollte niemand diesen besonderen Augenblick verpassen. Nachdem der Sonnenball mit allen Farben des Abendrotes hinter dem Horizont verschwunden war, hat niemand applaudiert. Natürlich nicht. Das hätte diesen Moment ja auch zerstört. Es wäre an dieser Stelle plump gewesen, wie bei einem wunderbar dargebotenen Musikstück, nach dessen Erklingen der Applaus alles zerstören würde, weil die Ergriffenheit vom Schönen hier nicht zur Ekstase geführt hat sondern zu dem, was man den Frieden des Herzens nennt, die Erfahrung von Glück.

Die Augen des Glaubens können uns den wahren Reichtum dieses Glücks erschließen: Die Bibel sagt uns gleich zu Beginn, dass Gott die Welt durch sein Wort geschaffen hat. Gott sprach: Es werde. Und es wurde. Wir können also sagen, dass Gott durch die Schöpfung uns sein Wort zuwendet, dass er zu uns spricht. Was will er uns sagen? Dieses schöpferische Wort, das Gott spricht, wird schließlich offenbar: In Anlehnung an das Schöpfungslied auf der ersten Seite der Bibel formuliert das Johannesevangelium: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott… und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt… Und wir haben seine Herrlichkeit geschaut.“ Dieses Wort ist Christus selbst. Alles, was Gott uns sagen will, hat er uns durch Christus offenbar gemacht.

Daher haben die Christen von Anfang an die Schöpfung auf Christus hin gelesen. Er ist die wahre Sonne des Heils. Sein Tod am Kreuz war kein Untergang für immer, sondern der Beginn jenes Aufganges des wahren Lichts, das wir an Ostern feiern. Christus hat den Tod besiegt: Er ist die wahre Sonne, die niemals mehr untergeht. Er ist der Bringer des ewigen Lebens. Und genau darin besteht das im tiefsten Sinne verstandene Glück und der wahre Friede des Herzens. Davon spricht die Schöpfung. Und wenn es so ist, dann verstehen wir mehr und mehr, warum sogar ein einfacher Sonnenuntergang uns so berühren kann, dass er uns zur Ruhe und zum Schweigen bringt. Das kann der Anfang des Betens sein. Der Glaube an Christus lehrt uns, die Schöpfung zu lesen. So formuliert es ein Beter in einem uralten Hymnus aus dem zweiten Jahrhundert:

Heiteres Licht vom herrlichen Glanze
deines unsterblichen, heiligen, seligen
himmlischen Vaters: Jesus Christus.
Dich verherrlichen alle Geschöpfe.
Siehe, wir kommen beim Sinken der Sonne,
grüßen das freundliche Licht des Abends,
singen in Hymnen Gott dem Vater,
singen dem Sohn und dem Heiligen Geist.
Würdig bist du, dass wir dich feiern
zu allen Zeiten mit heiligen Liedern,
Christus, Sohn Gottes, Bringer des Lebens:
Dich lobpreise die ganze Schöpfung.

Amen.

Klaus Nebel, Pfarrer
Bild: Tim Hill / pixabay.com