St. Bonifatius Wiesbaden

Schaut hin… Ökumene in St. Bonifatius mit der Anglikanischen Kirche

Gemeindebrief, Theologie SpiritualitätPhilippe Jaeck

Ökumenischer Gottesdienst im Rahmen des 3. Ökumenischen Kirchentags

An Christi Himmelfahrt findet um 16 Uhr ein großer ökumenischer Gottesdienst statt.

Christen Alt-katholischer, Anglikanischer, Evangelischer, Evangelisch-Lutherischer, Römisch-Katholischer, Orientalischer und Orthodoxer Tradition beten in Sinne des 3. Ökumenischen Kirchentages um Einheit!

Schauen Sie es sich hier an:

Interwiev mit Rev. Christopher Easthill

Dieses Mal schauen wir auf unserer Reise durch die Ökumenelandschaft bei den Anglikanern vorbei. Auch hier finden wir Nähe, aber auch Distanz. Dazu habe ich Reverend Christopher Easthill, Pfarrer der Church of St. Augustine of Canterbury Fragen gestellt. Und er hat mich gleich mit einer Ungenauigkeit erwischt...

Die Anglikanische Kirche ist für uns Katholiken in St. Bonifatius eine eher unbekannte Größe. Vielleicht erinnern wir uns noch aus dem Geschichtsunterricht an Heinrich VIII und seine sieben Frauen und kennen vielleicht z. B. Hochzeiten der britischen Royals... Was ist die Anglikanische Kirche?

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Eine kleine Korrektur vorweg, Heinrich VIII hatte „nur“ sechs Frauen! Wo fange ich an? Die Anglikanische Kirche hat ihren Ursprung in England, daher auch der Name vom lateinischen “anglicanus” = englisch. Heinrich VIII hat im Grunde genommen, überwiegend aus politischen Gründen, zunächst nur eine nationale katholische Kirche geschaffen, mit nur wenigen Änderungen in Struktur und Theologie. Die eigentliche englische Reformation begann dann ab 1547 unter seinem Sohn Edward, pendelte zwischen Extremen (u.a. gab es den Versuch der Rekatholisierung nach seinem Tod durch seine Schwester Maria), bevor die Kirche unter Elizabeth I einen Mittelweg fand. Wir bezeichnen uns als katholisch und reformiert.

Heute ist die anglikanische Kirchengemeinschaft (“Anglican Communion”) eine weltweite Gemeinschaft, die sich aus 46 selbstverwalteten Einzelkirchen in über 165 Ländern mit 865 Diözesen zusammensetzt. Geistiges Oberhaupt – aber nur in der Funktion als erster unter Gleichen - ist der Erzbischof von Canterbury. Mit über 80 Millionen Angehörigen bildet sie, nach der römisch-katholischen und den orthodoxen Kirchen, die drittgrößte christliche Glaubensgemeinschaft.

Die Anglikanische Kirche hat eine Bandbreite in ihrer Organisation und auch im Erscheinungsbild. Können Sie uns da mehr erzählen?

Unsere Organisation ist weltweit ziemlich einheitlich. Wir haben die altkirchliche Ämterstruktur beibehalten (Bischöfe, Priester, Diakone). Unseren Provinzen bzw. Nationalkirchen steht immer ein Erzbischof vor (manchmal Vorsitzender Bischof oder Primus genannt). Wir sind zugleich „bischöflich“ und synodal, d.h. Grundsatzentscheidungen über Lehre und Organisation werden gemeinschaftlich von Bischöfen, Priestern/Diakonen, und Laien getroffen, während der Bischof/die Bischöfin das Bistum im Tagesgeschäft leitet. Aber auch dabei wird er/sie von einem gewählten Gremium beraten.

Wahr ist aber auch, dass es große Unterschiede gibt in der Glaubenspraxis, sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen Kirchen. Manche leben das „katholische“ Element deutlich mehr aus, andere haben ein eher „reformiertes“ Selbstverständnis. Auch in sozialen Fragen gibt es erhebliche Differenzen. Z.B. ist die Weihe von Frauen zu allen Ämtern (noch) nicht überall möglich und in der Frage des Umganges mit Homosexualität (Segnung, Ehe, Zugang zu kirchlichen Ämtern) gibt es erhebliche Differenzen und Abspaltungstendenzen. Bindeglied ist nach wie vor unsere gemeinsame Geschichte und eine gemeinsame Grundstruktur in der Liturgie. Wenn jemand von St. Bonifatius einen unserer Gottesdienste besuchen würde, würde sie oder er sich (abgesehen von der Sprache) relativ heimisch fühlen.

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St. Augustine of Canterbury wird in Wiesbaden oft die „Englische Kirche“ genannt. Das hat sicher mit der Gründung zu Kurortzeiten zu tun. Aber das spiegelt nicht die Realität der Gemeinde heute. Wie sieht diese Realität aus.

Der Begriff englische Kirche wird nicht nur in Wiesbaden benutzt. Viele der im 19. Jahrhundert in Deutschland gegründeten anglikanischen Kirchen wurden oder werden so bezeichnet. Es hat sowohl mit der Herkunft zu tun, St. Augustine’s wurde in der Tat 1865 von England aus gegründet, wie auch mit der Sprache, da unsere Gottesdienste überwiegend auf Englisch abgehalten werden. Es spiegelt aber nicht die Realität der heutigen Gemeinde wider. Seit dem Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg gehört unsere Gemeinde zur amerikanischen Episkopalkirche (US-Zweig der anglikanischen Kirchengemeinschaft). Von der Nationalität her sind Amerikaner die größte Gruppe, auch bedingt durch die Militärpräsenz in Wiesbaden, dann kommen Menschen aus Großbritannien, dann Deutsche, dann aus dem Rest der Welt. Derzeit haben wir Mitglieder aus Kanada, Südamerika, Afrika (unter anderem Nigeria, Kenia, und Südafrika), Asien und Australien. Alle Kontinente sind vertreten. Es ist auch nicht so, dass alle unsere Mitglieder Anglikaner sind, was auch keine Voraussetzung dafür ist, um am kirchlichen Leben teilzuhaben oder Mitglied in der Ortskirche zu sein. Alle sind willkommen und eingeladen!

Wie sehen sie St. Augustine im Konzert der Ökumene in Wiesbaden und was wünschen Sie für ein Miteinander mit St. Bonifatius?

Wir beteiligen uns sehr aktiv an der Ökumene in Wiesbaden. Wir sind Mitglied der ACK und hatten bis vor kurzem auch ein Mitglied im Vorstand. Wir sind seit vielen Jahren Stammteilnehmer bei der Nacht der Kirchen, als eine der Innenstadtkirchen. Wir waren von Anfang an beim ökumenischen Bahnhofsgottesdienst zu Weihnachten dabei und auch in der praktischen Arbeit versuchen wir immer mit anderen Kirchen und kirchlichen Einrichtungen zusammenzuarbeiten. Mit der Alt-katholischen Kirche sind wir darüber hinaus seit 1931 durch eine Vereinbarung zur vollen Kirchengemeinschaft verbunden. Ich erlebe insgesamt die ökumenische Zusammenarbeit in Wiesbaden als angenehm und kollegial. Mit St. Bonifatius verbinden uns zunächst einige gemeinsame ökumenische Gottesdienste. Wir nehmen beispielsweise an der Mauritiusvesper teil, sowie auch am Gottesdienst anlässlich des Empfangs des Friedenslichtes von Bethlehem. Seit ein paar Jahren beteiligt sich auch St. Bonifatius, in der Person von Matthias Ohlig, am jährlichen Gedenkgottesdienst zum Welt-AIDS-Tag der AIDS-Hilfe Wiesbaden, die in unserer Kirche gefeiert wird. Ich erlebe das Miteinander als angenehm, unbürokratisch, hilfsorientiert (wir haben mehrmals Räumlichkeiten für größere Veranstaltungen nutzen dürfen), und immer am gemeinsamen Ziel ausgerichtet. Ich wünsche mir einfach, dass es so bleibt! Wenn ich einen Wunsch an die beiden großen Kirchen in Wiesbaden hätte, wäre es, ihren Einfluss geltend zu machen, sowohl die Politik als auch die Presse daran zu erinnern, dass es nicht nur zwei christliche Kirchen in Wiesbaden gibt!

Die Fragen an Rev. Easthill stellte Pfarrer Matthias Ohlig