Auf unserer Reise durch die Ökumene machen wir Halt bei einer Gemeinde, die im Namen auch den Begriff „Katholisch“ hat. Über die Nähe und die Ferne zwischen Römisch-Katholischer und Alt-Katholischer Kirche spreche ich mit Dekan Klaus Rudershausen.
Nicht nur Du persönlich, sondern Deine Kirche überhaupt haben ja ein ganz „besonderes“ Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche.
Was bedeutet „Alt-Katholisch“?
Zunächst einmal ist „alt-katholisch“ eine weitere Facette in der bunten Vielfalt der Ökumene. Dabei orientiert sich die Alt-Katholische Kirche an den Ursprüngen von Kirche, in denen Jesus Christus und der Glaube an ihn Mittelpunkt und Botschaft für das Leben ist. Diesen Gedanken der „alten“ Lehre einer katholischen und apostolischen Kirche greifen wir auf und bringen ihn mit dem Leben von heute in Bezug. Doch beim 1. Vatikanischen Konzil 1870 in Rom wurden (neue) Meinungen über den Papst zu Glaubenssätzen festgelegt. Kurz gesagt ging es um das ‚Jurisdiktionsprimat‘ und um das ‚Unfehlbarkeitsdogma‘ des Papstes. Das heißt, der Papst hat die oberste Rechtsgewalt in der Kirche und er kann seither in Fragen des Glaubens und der Moral unter bestimmten Bedingungen unfehlbare Entscheidungen treffen. Diese Dogmen brachten nicht wenige katholische Christen in Gewissensnot, denn sie waren überzeugt, dass die Sätze nicht mit der Tradition, dem „alten, katholischen Glauben“ und der Heiligen Schrift in Einklang stehen. Die Anhänger dieser Auffassung nannten sich deshalb „Alt-Katholiken“. Von Rom wurden sie in der Folge exkommuniziert. Sie haben sich dann in eigenständigen Gemeinden und schließlich als selbständige und staatskirchenrechtlich anerkannte katholische Kirche organisiert. Bereits 1889 haben sich verschiedene von Rom unabhängige katholische Kirchen in Europa in der Utrechter Union zusammengeschlossen.
Seither haben wir das Feuer der katholischen Tradition „weitergetragen“ und uns stets weiterentwickelt. Unsere bischöflich-synodale Struktur ermöglicht eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an allen Ämtern und Diensten sowie eine Mitsprache und Mitwirkung an den Prozessen der Kirchenentwicklung und ihren Entscheidungen. Priesterinnen und Priester können sich frei für Ehelosigkeit, Partnerschaft oder Familie entscheiden.
Wie siehst Du die Alt-Katholische Gemeinde im Konzert der Ökumene in Wiesbaden allgemein und speziell mit uns?
Ich glaube, Kirche und Kirchen – und unsere Zukunft – lassen sich nur ökumenisch denken. Dazu gehört auch der Blick über den eigenen konfessionellen und auch nationalen Tellerrand hinaus in die Welt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass wir nach dem Zweiten Weltkrieg den weltweiten Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), den Weltgebetstag (WGT) und auch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) mitbegründet haben. Hier in Wiesbaden erarbeiten wir in diesen und anderen ökumenischen Gremien vielfältige kreative Angebote, Gottesdienste und Veranstaltungen, die sich über die ganze Stadt und darüber hinaus erstrecken. Dabei ist die Mitwirkung an der „Nacht der Kirchen“, bei den ökumenischen Andachten „12 Minuten mit Gott“ im Advent oder im Rahmen der zahlreichen Weltgebetstags-Veranstaltungen nur ein kleiner Ausschnitt. Gottesdienste mit den benachbarten römisch-katholischen Kirchorten Maria Hilf und St. Elisabeth bzw. der evangelischen Bergkirchengemeinde als auch die intensive Abendmahls-Gemeinschaft mit der anglikanischen Gemeinde von St. Augustine’s Church ergänzen das gemeinsame Unterwegssein.
Intensive Verbindungen im Bereich Frauenspiritualität, wie etwa die Ökumenischen Frauengottesdienste in der Roncalli-Kapelle seit über 20 Jahren, unterstreichen das wertschätzende Miteinander und die Kollegialität. Das zeigt sich immer wieder auch in den persönlichen Begegnungen das ganze Jahr über und in der Gastfreundschaft füreinander. Dafür bin ich sehr dankbar.
Was wünschst Du Dir im Verhältnis Friedenskirche und St. Bonifatius?
Martin Buber sagte einmal: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“. Und ich bin zutiefst überzeugt, dass es die Begegnungen sind, die das Leben ausmachen. Und zwar die Begegnungen auf Augenhöhe. Auch in der Ökumene. Das ist manchmal nicht so selbstverständlich, wenn deutlich wird, dass in der Öffentlichkeit als „Ökumene“ oftmals einfach die „beiden“ Großkirchen stehen. Die sogenannten „kleinen“ Kirchen, zu der auch wir gehören, werden da manchmal „übersehen“.
Ich wünsche mir und uns in den Kirchen weiter den Mut, neugierig aufeinander zuzugehen, miteinander Neues zu wagen, Träumen zu trauen, zusammen zu feiern, wo und wann es möglich ist und miteinander im Gespräch zu bleiben.
Vielleicht nach dem Motto des Ökumenischen Weltgebetstags, das da heißt:
‚Informiert beten – betend handeln.‘ Also, am besten miteinander!
Die Fragen an Dekan Rudershausen stellte
Pfarrer Matthias Ohlig