St. Bonifatius Wiesbaden

Es geht um Leben und Tod

GemeindebriefPhilippe Jaeck

Der November beginnt mit zwei wichtigen christlichen Feiertagen:
Allerheiligen und Allerseelen.

Als Christen nehmen wir dabei die Zukunft in den Blick. Wir wissen um unsere Sterblichkeit, eben darum, dass unserem Leben Grenzen gesetzt sind. Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen. Und gleichzeitig wissen wir: Der Herr ist auferstanden; der Tod hat nicht das letzte Wort über das Leben, sondern das Leben hat den Tod besiegt durch den, der am Kreuz gestorben und auferstanden ist. So hat Gott uns Menschen aus dem Gefängnis unserer irdischen Begrenzungen befreit und uns Heimat gegeben in der Weite und Freiheit seiner Ewigkeit. Das ist das erste, was wir feiern, wenn der November anbricht: Allerheiligen erinnert uns daran, dass wir mit allen Heiligen zur Ewigkeit gerufen sind. So ist dieses Fest ganz durchdrungen von jener Freude, die uns von Ostern her geschenkt ist. Um es ganz einfach auszudrücken: Wir blicken an Allerheiligen auf alle Bewohner des Himmels. Wir kennen ja viele bekannte Namen von großen Heiligen; ob wir nun an die Apostel, als die ersten Jünger denken, oder an die frühen Märtyrer, wie einen hl. Stephanus, an regelrecht populär gewordene alte Heilige der Nächstenliebe, wie den hl. Nikolaus, den hl. Martin oder später die hl. Elisabeth von Thüringen, oder Kirchenlehrer, wie einen hl. Augustinus, eine hl. Hildegard von Bingen, einen hl. Thomas von Aquin, eine hl. Theresa von Avila, oder große Ordensgründer wie den hl. Benedikt, den hl. Franziskus oder auch eine hl. Maria Katharina Kasper, die aus unserem Bistum stammt, oder Heilige aus den vergangenen Jahrzehnten wie die hl. Edith Stein, den hl. Maximilian Kolbe, die hl. Mutter Theresa und den hl. Papst Johannes Paul II. Und sicherlich fallen uns gleich noch viel mehr Namen von Heiligen ein: unsere Namenspatrone und unsere Kirchenpatrone. Hinter all diesen Namen stehen konkrete Menschen mit ihren konkreten Lebensgeschichten. In den Herausforderungen ihrer je eigenen Zeit haben sich diese Menschen unter den Anspruch des Evangeliums gestellt und in der Kraft des Glaubens ihre Welt mitgeprägt. So stehen sie als große Vorbilder vor unseren Augen und es lohnt sich immer, sich mit dem Leben der Heiligen zu beschäftigen. Neben den großen Namen derer, die ausdrücklich heiliggesprochen wurden, gibt es gewiss unzählige Menschen, von denen wir heute zwar nichts mehr wissen, die aber ebenfalls ganz aus dem Glauben gelebt haben und so zu „Bewohnern des Himmels“ geworden sind. Aus dieser Überzeugung feiert die Kirche das Fest Allerheiligen. So dürfen wir uns an diesem Fest auch daran erinnern, welche Zukunft Gott für uns alle vorgesehen hat, denn er will, dass wir alle heilig werden.

In diesem österlichen Licht von Allerheiligen begehen wir am 2. November den Allerseelentag. Dieser Tag ist unter anderem dadurch geprägt, dass wir auf die Friedhöfe gehen, um die Gräber zu segnen, unserer Verstorbenen zu gedenken und für sie zu beten. Unser Beten für die Verstorbenen soll ihnen bei der endgültigen Bewältigung ihrer Schuld helfen, damit sie in die vollkommene Freude der Ewigkeit eingehen können. Der Tod ist der Moment der Begegnung mit Gott, der uns als seine Geschöpfe über alles liebt und uns mit seiner Barmherzigkeit und Vergebung entgegenkommt. Doch diese Barmherzigkeit und Vergebung will auch angenommen sein. Das ist nicht immer so einfach. Wir kennen das ja aus unserem Miteinander: Wenn ich gegenüber einem Menschen schuldig geworden bin und dieser mir aber aus einem freien und liebenden Herzen einfach vergibt, dann muss ich diese Vergebung auch annehmen; und das kann auch schmerzhaft sein, ist es doch immer verbunden mit der ehrlichen Einsicht in das eigene Versagen und der Reue darüber, die jeden falschen Stolz hinter sich lassen muss. Ein solcher Prozess wird leichter, wenn andere uns unterstützen und begleiten. So begleiten wir auch unsere Verstorbenen mit unserem Gebet in dem Vertrauen, dass es ein Dasein und ein Eintreten füreinander über die Schwelle des Todes hinaus gibt.

Das Segnen der Gräber weist noch auf einen weiteren Aspekt unseres Glaubens hin: Dort, wo wir den irdischen Leib unserer Verstorbenen bestattet haben, sagt uns der Segen an Allerseelen, dass Gott die ganze Schöpfung und damit auch den Menschen als Ganzes mit Leib und Seele in seine Ewigkeit hinein vollenden wird.

So zünden wir Lichter auf den Gräbern unserer Angehörigen an, um deutlich zu machen, dass Christus, das wahre Licht, unsere Verstorbenen, aber schließlich auch einmal uns selbst durch die Dunkelheit des Todes in die Weite des ewigen Lebens führt.

Seit über zwei Jahrzehnten hat sich hierzulande etwas breitgemacht, was scheinbar mit Allerheiligen und Allerseelen gar nichts zu tun hat: Man feiert am Tag vor Allerheiligen Halloween. Und so, wie sich Halloween bei uns darstellt, handelt es sich um einen kommerzgesteuerten aus Übersee importierten Brauch US-Amerikanischer Prägung, der seine ursprünglichen Wurzeln im Wesentlichen in Irland hatte. Historisch kaum zu greifen ist der keltische Ursprung von Halloween als einer heidnischen Feier, in der es um Totengeister ging, die man möglicherweise durch Verkleidung oder auf andere Weise (beleuchteter Kürbis) abschrecken wollte. (Gesichter in Rüben zu schnitzen und mit einer Kerze von innen zu beleuchten gab es im Übrigen bei uns schon lange bevor jemand in unseren Breiten an Halloween gedacht hat). Die meisten unserer Zeitgenossen wissen wohl kaum, was Halloween ist, und feiern eine Art Winterfasching ohne Sinn. Als Christen können wir demgegenüber gelassen bleiben, solange Kinder umherziehen und Süßigkeiten sammeln. Klar abzulehnen ist freilich, wenn bei dem ganzen „Totengrusel“ an Halloween die Grenzen zum Okkulten hin fließend werden. Denn Aberglauben hat in der Welt des christlichen Glaubens keinen Platz.

Dabei ist das Wort „Halloween“ christlichen Ursprungs und kommt von dem Ausdruck „All Hellows‘ Eve“, was schlicht den Vorabend von Allerheiligen bezeichnet. Das Allerheiligenfest geht zurück auf die Weihe des Pantheons zur Kirche „St. Marien von allen Märtyrern“ am 13. Mai 609. Gut hundert Jahre später weihte Papst Gregor III. eine Kapelle im Petersdom „allen Heiligen“ und legte dabei den Feiertag „Allerheiligen“ vom Mai auf den 1. November. Das christliche Fest verdrängte in Irland die keltische Totenfeier. Keltische Bräuche dagegen blieben zum Teil rund um das Allerheiligenfest bestehen. Irische Auswanderer nahmen Fest und Bräuche mit in die USA, wo sich Halloween ausbreitete.

Freilich: Kein Mensch braucht wirklich ein Gruselfest heidnischen Ursprungs. Aber ein Fest, das die Heiden-Angst hinter sich lässt, schenkt uns neue Freiheit. Allerheiligen und Allerseelen geben den Blick in die Zukunft frei. Der Mensch, der die Ewigkeit erwartet, kann auch in der Zeit gelassen sein. Wer den „Himmel“ bekennt, der kann die „Erde“ und den Menschen auf ihr nicht verraten. Und wer im Glauben ein Leben lang auf Gott, der die Liebe ist, zugeht, findet im Leben auch immer den Weg zum Nächsten und wird selbst ein Liebender. Alle Heiligen haben uns das vorgemacht.

Klaus Nebel, Pfarrer
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