Als Kinder haben wir am Heiligen Abend vor der Wohnzimmertür gewartet. Drinnen wurde alles für das hohe Fest vorbereitet. In diesem Warten verdichtete sich noch einmal, was Advent bedeutet: Ein Ausharren und ein Zugehen auf das Weihnachtsfest; ein „Sich-Zurücknehmen“, um Gott Raum zu geben, der von Neuem in uns geboren sein soll. Warten ist nur dann sinnvoll, wenn man etwas zu erwarten hat. Und so ist das Warten im Advent immer auch schon ein Glaubensbekenntnis, sagt es doch, dass wir uns vom menschgewordenen Gott nichts weniger erwarten, als das Leben selbst. Wenn es dann am Heiligen Abend endlich so weit war, konnten wir als Kinder durch die offene Tür eintreten vor den Weihnachtsbaum mit seinen Lichtern, um dort im Schatten seiner grünen Zweige auf die Krippe zu schauen, in der uns das Geheimnis Gottes aufleuchtet, und damit wieder die Gewissheit in sich aufzunehmen, dass wir nicht allein sind, ja dass Gott unter uns Wohnung genommen hat, um unser Leben zu teilen und so sein Leben mit uns zu teilen.
An diesem Weihnachtsfest eröffnet Papst Franziskus mit der Öffnung der Heiligen Pforte in St. Peter in Rom das Heilige Jahr 2025. Dieses steht unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“. Ein Pilgerweg hat immer etwas Adventliches an sich, weil auch er immer ein erwartungsvolles Zugehen auf Gott ist. Die geöffnete Tür im Heiligen Jahr lädt uns ein, uns auf den Weg zu machen, hineinzugehen, um dem Geheimnis Gottes zu begegnen, der uns in dem kleinen Kind in der Krippe von Bethlehem seine Nähe schenkt.
Wie sehr sehnt sich unsere heutige Welt, die so voll ist von Schrecknissen des Krieges und der Gewalt, nach dieser heilsamen Gegenwart Gottes! Indem wir Weihnachten feiern, bekennen wir, dass mit Jesus Gott selbst gekommen ist. Er ist das Licht, das in die Dunkelheiten unserer Welt hinuntergestiegen ist, um die Finsternis zu vertreiben.
„Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt“
hat der Jesuit, Pater Alfred Delp, in schwerster Zeit der Verfolgung formuliert.
Das Heilige Jahr lädt uns ein, von neuem ein Pilger zu werden, aufzubrechen, manches, was uns hält und bindet, hinter uns zu lassen, um so Gott neuen Raum zu geben: So kann er an diesem Weihnachtsfest auch gleichsam in uns von neuem geboren werden. Auf diese Weise können wir ihn hinaustragen in Gedanken, Worten und Werken der Barmherzigkeit und Liebe zu den Menschen des kommenden Jahres und so wahrhaft inmitten dieser Welt zu Pilgern der Hoffnung werden.
Ihnen allen wünsche ich von Herzen ein frohes Weihnachtsfest und den Segen Gottes für das neue Jahr.
Klaus Nebel, Pfarrer