St. Bonifatius Wiesbaden

Alltagsspiritualität oder „Gott suchen und finden in allen Dingen“

GemeindebriefPhilippe Jaeck

Mittlerweile ist mein Facebookblog Wunder Sammlerin schon über ein Jahr alt.

Einmal die Woche poste ich dort Impulse zum Thema Spiritualität, Glauben und Sinnsuche. Manchmal werde ich von Gemeindemitgliedern neugierig gefragt, warum ich eigentlich über so viel Alltägliches berichte. Es geht viel um Begegnungen zwischen Menschen, Erfahrungen in und mit der Natur oder was mir sonst noch am Wegesrand meines Lebens über die Füße fällt. Einige Follower wollen daher wissen, wieso Worte wie „Gott“, „Glaube“, „Kirche“ oder „Gottesdienst“ in meinen Texten eher selten zu finden sind. Auch unter dem Begriff „Wunder“ mag sich der ein oder andere Leser etwas völlig anderes vorstellen, als die Dinge, von denen ich auf meinem Blog berichte.

Blicke ich in die Bibel, so scheine ich mich allerdings in ganz guter Gesellschaft zu befinden. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament findet Gotteserfahrung immer wieder mitten im Alltäglichen statt. Als Moses zum Beispiel Gott im brennenden Dornbusch begegnet und von ihm den Auftrag bekommt, die Israeliten aus Ägypten heraus zu führen (Vgl. Ex 3), ist dieser gerade damit beschäftigt, Schafe zu hüten. Auch die ersten Jünger gingen ihrer täglichen Arbeit nach, als sie das erste Mal auf Jesus trafen und eingeladen wurden, ihm nachzufolgen (Vgl. Lk 5,1-11). Und sogar Jesus selbst wählte in seinen Reden und Gleichnissen Beispiele aus dem alltäglichen Leben der Menschen. So verglich er das Himmelreich mit einem Sauerteig (Vgl. Mt 13,33), erzählt vom Pflanzen und Ernten (Vgl. Mk 4,30-32) oder vom Suchen von etwas Verlorengegangenem (Lk 15,1-7).

Demnach sind Gott, Glaube und Spiritualität also nicht nur in sakralen Räumen und Kontexten zu finden. Immer dann, wenn im Alltag das MEHR des eigenen Lebens aufblitzt und ich eine tiefere Erfahrung von Menschsein oder Sinn mache, kann dies auch ein Ort der Begegnung mit Gott sein. Manchmal ist das offensichtlicher. In anderen Momenten ist ER versteckt und ich muss eine ganze Weile suchen, bevor ich IHN finden kann. Aber Gott ist immer da und will in den versteckten Schätzen meines Alltags entdeckt werden.

„Die Welt ist Gottes so voll“, schrieb auch der Jesuit Alfred Delp SJ. Dieser Meinung war auch Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens. Zentral für seine Spiritualität war und ist, dass Gott sich „in allem suchen und finden lässt“. Das kann im Gottesdienst genauso der Fall sein wie bei einem Spaziergang, einer Begegnung auf der Straße, beim Warten an der Supermarktkasse oder beim Abspülen meines schmutzigen Geschirrs vom Mittagessen.

Genau davon wollen die Impulse der Wunder Sammlerin erzählen. Selbst wenn ich den Begriff „Gott“ kaum erwähne, sind meine Alltagserzählungen voll von IHM. ER befindet sich sozusagen in meinen Texten immer wieder zwischen den Zeilen.

Die kleinen und großen Geschenke des Lebens bewusster wahrzunehmen, dazu möchte ich aber nicht nur mit meinem Facebookblog inspirieren und einladen. Vielleicht kann das Einüben in diese Grundhaltung ja auch ein Impuls für die bald beginnende Fastenzeit sein. Vielleicht haben Sie ja beim Lesen Lust bekommen, einmal selbst zur Wunder Sammlerin zu werden...

Meist ist unser Alltag so voll, dass wir die kleinen Kostbarkeiten am Wegesrand nur allzu leicht übersehen können. Am Ende des Tages haben wir stattdessen meist aber noch sehr präsent, worüber wir uns geärgert haben oder was schwierig bzw. herausfordernd war. Ein Perspektivwechsel kann dabei helfen, auch die positiven Dinge in den Blick zu nehmen. All das, was mir in meinem Leben spontan geschenkt wurde. Eine bewusst genommene und zelebrierte Kaffeepause mitten zwischen den vielen Terminen meiner langen To-Do-Liste oder die Begegnung mit der Kassiererin an der Supermarktkasse, eine Unterhaltung im Bus.

Die Offenheit und Bereitschaft, Gott im Alltäglichen zu entdecken, kann dabei helfen, eine Art Spiritualität des Alltags zu entwickeln. Viel Spaß also bei diesem gemeinsamen Abenteuer nach dem MEHR im eigenen Leben zu suchen! Ich bin gespannt, was Sie auf dieser Spurensuche im Laufe der Zeit alles entdecken und finden werden!

Text und Foto: Pastoralreferentin Stephanie Hanich