In Wiesbaden verstarb der langjährige KAB Vorsitzende und frühere Kulturdezernent Peter Joachim Riedle im Alter von 77 Jahren.
Im Dezember 1993 berichtet die Wochenzeitung „Die Zeit“ über die Wiesbadener Siedlung Mühltal. Dorthin würden Wiesbadens „Asoziale“ abgeschoben: Obdachlose, Arbeitslose, Alkoholiker und andere Gestrandete. 1972 änderte sich die Situation mit einem Gesellschaftsvertrag, den die katholische und die evangelische Kirche zusammen mit der Stadt Wiesbaden abschlossen. Die Wohnsituation änderte sich spürbar positiv. Peter Joachim Riedle, der der CDU angehörte und in dieser Zeit Kulturdezernent war, hatte seit Beginn an der Umwandlung der Obdachlosensiedlung mitgearbeitet. Vorher war er Leiter der Adalbert-Stifter-Hauptschule und besuchte nun die Siedlung. "Wir haben versucht, den Kindern Selbstwertgefühl zu geben. Wenn ein Mensch was werden will, muss er Vertrauen zu sich selbst haben", sagt Riedle vor Ort. Dieser Satz hat programmatischen Charakter und sagt klar, um was ihm geht.
Riedle war in Frankfurt geboren. Nach dem Abitur schloss er sein Lehramtsstudium an der dortigen Uni ab. Über Fulda und Flörsheim kam er nach Wiesbaden, heiratete seine Frau Bärbel und wohnte mit der Familie im Rheingauviertel. Mit 21 schon wurde er in das Stadtparlament gewählt. Seine Leidenschaft galt der Sozialpolitik, den Menschen, so sagte er selbst, die zu wenig Lobby hatten: Obdachlose, psychisch Kranke, Gehörlose. Später kam Riedle als Stadtrat für Schule und Kultur in den Magistrat. „Papa KuK“ nannte man ihn da, weil er sich auch für das Kulturzentrum Schlachthof einsetzte.
Fast vier Jahrzehnte engagierte er sich aktiv in der Politik. Die Stadt Wiesbaden zeichnete ihn dafür mit der Bürgermedaille in Gold und dem Ehrentitel Stadtältester aus. Vom Bundespräsidenten erhielt er 2005 das Bundesverdienstkreuz.
Der katholische Christ Peter Joachim Riedle gehörte der KAB, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung an. Mehr als 33 Jahre lang war er Vorsitzender des Wiesbadener KAB Ortsvereins. Ausgehend vom christlichen Menschenbild und der katholischen Soziallehre geht es der KAB um soziale Gerechtigkeit, um ein „Gutes Leben für alle“. Riedle hatte sich in diesem Sinne gerade für die Benachteiligten auf politischer Ebene engagiert. Der Einsatz für die Benachteiligten, für die, die am Rande der Gesellschaft stehen, muss tätiges Anliegen gerade der Kirche sein. Peter-Joachim Riedle machte das nicht nur zum Thema in seinem Kirchort St. Andreas. In vielen kirchlichen Gremien, Arbeitsgruppen und Initiativen arbeitete er mit. In zahlreichen, von ihm initiierten Veranstaltungen in den Pfarrgemeinden und auf Stadtkirchenebene setzte er sich im Rahmen von Bildungsarbeit für Wissensvermittlung und Meinungsbildung ein. Dem „lebenslangen Lernen“ galt seine Leidenschaft.
Die katholische Kirche Wiesbaden trauert um einen engagierten und profilierten Christen. Sein Einsatz für eine glaubwürdige Kirche, eine menschenwürdige Arbeitswelt und eine solidarische Gesellschaft waren beispielgebend und prägend. Mit Peter Joachim Riedle ist ein überzeugter Christ gegangen, der überzeugen konnte.
Thomas Weinert
Foto: G. Duda, St. Andreas