St. Bonifatius Wiesbaden

„Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“

Theologie SpiritualitätAutor

Dass man im Leben immer wieder an Punkte kommt, an denen man sich fragt, wie es denn jetzt um Gottes Willen bloß weitergehen soll, ist uns vertraut. Wir suchen uns Klarheiten und Orientierungspunkte, an denen wir uns neu ausrichten können und die uns in unserem Suchen eine Richtung geben. Nicht umsonst sind Leuchttürme für so viele Anliegen ein treffendes Beispiel: Ob sie uns Licht in der Nacht geben, ob sie uns einen Weg zeigen, oder ob sie uns einen sicheren Hafen versprechen – der Turm bringt uns und unser Leben auf Kurs.

So ein Leuchtfeuer war Jesus für seine Freunde, die mit ihm unterwegs waren. Die Flamme seiner Liebe hat in ihren Herzen gebrannt und seine Nähe hat ihnen Halt und Kraft gegeben. Und jetzt, wie aus heiterem Himmel, ist ihnen diese Orientierung genommen. Wie geht es weiter, wenn der Lotse von Bord ist, wo gehen wir hin, wenn der feste, schützende Turm aus unserem Blickfeld verschwunden ist? Das ist ein Schock, weil sich ein Fixpunkt fortbewegt und auf einmal die vertrauten Wege nicht mehr so weiterlaufen können. Die Jüngerinnen und Jünger können es kaum fassen; hatte er nicht erst vor kurzem gesagt, dass er bis zum Ende aller Tage an unserer Seite sei?

Dabei ist diese Planlosigkeit der Menschen, die jene Szene der Himmelfahrt beobachtet haben, nur auf den ersten Blick auch perspektivlos: Erinnern wir uns an die Szene, in der uns beschrieben wird, wie die Jünger ungläubig den Herrn in den Himmel entschwinden sehen und vielleicht gerade noch so einen letzten Blick auf die aus den Wolken ragenden Füße erhaschen können und nun nicht mehr wissen, wie es denn jetzt weitergehen soll. 

Sie erleben das, was auch wir immer wieder selber erleben: Da wird Vertrautes und Gewohntes zerstört, da werden Routinen durchbrochen, und die Situation, in die man sich so schön eingerichtet hatte, wird komplett umgekrempelt. Jeder, der schon einmal über die ganzen Veränderungen und Umbrüche in unserer Kirche und in unserer Pfarrei gestöhnt hat, kann ahnen, wie es den Menschen damals erging, als der Mittelpunkt ihres Lebens aus der Mitte ihres Lebens in einen fernen Himmel verlegt wird.

Sie erleben, was auch wir erleben, wenn wir unsere „Komfort-Zone“, unsere Wohlfühlstrukturen verlassen müssen und aus dem sicheren Hafen hinaus müssen in das unsichere Meer mit den Gezeiten des Wandels und der Veränderung. Der Leuchtturm, der Christus seinen Jüngern gewesen ist, verschwindet in den Weiten des Horizonts; und so dümpeln die Jünger und auch wir auf neuen Kursen, mit dem Blick nach oben, um neue Fixpunkte und neue Richtung zu finden.

Aber bei den Jüngern entsteht aus dieser Situation des Aufbruchs heraus eine neue Dynamik im Glauben: Der Geist erfüllt sie, sie kommen zu neuen Ufern und erfüllen den christlichen Auftrag, bis an die Enden der Erde von der Liebe Gottes, der in die Welt gekommen ist, zu erzählen und in diesem Namen zu taufen; ein Aufbruch, dem auch wir unseren heute so vertrauten Glauben zu verdanken haben.

Deswegen ist es so wichtig, in diesen Zeiten des Wandels und der Veränderung das Fest Christi Himmelfahrt zu feiern. Nicht nur weil es, wie wir es jede Woche im Glaubensbekenntnis mit dem „Aufgefahren in den Himmel“ bekennen, ein wesentlicher Baustein unseres Glaubens ist, sondern weil darin auch eine Aufforderung und Zusage an uns steht: Schon von Anfang an hat unser Glaube Umbrüche und Veränderungen gekannt. Und in allem Wandel durften und dürfen wir als Christen erleben, dass wir aus der Wurzel unseres Glaubens heraus immer wieder neu die Botschaft Jesu zum Blühen bringen können.

Mag sein, dass an Himmelfahrt Christus aus dem Blick verschwindet, wie ein Leuchtturm hinter dem Horizont, und wir in den Wellen der Zeiten hin- und hergeworfen werden. Aber wir dürfen uns sicher sein, dass er uns den Weg weiter weisen wird, dass er uns leuchtet, wenn Gefahr droht, und er am Ende unseres Weges uns in seinen sicheren Hafen führen wird.

Haben wir also keine Angst, wenn wir manchmal nicht sehen, wo unser Weg hinführt oder wie wir die Stürme der Zeit meistern sollen, starren wir nicht vor Schreck den alten Zeiten hinterher und bleiben wir nicht gelähmt stehen vor den Sorgen und Nöten unserer Zeiten, sondern erinnern wir uns gegenseitig immer wieder daran, dass gerade aus diesen Situationen heraus unser Glaube immer wieder gestärkt hervorgegangen ist. So können wir voller Mut und Gottvertrauen nach Wegen suchen, auch in unserer Zeit neu die Leuchttürme des Glaubens zu errichten, neue Wege zu finden und so in unserer Zeit den Glauben neu zum Leuchten zu bringen.

Ihr Kaplan Simon Schade