St. Bonifatius Wiesbaden

Herbergssuche

GemeindebriefAutor

Schwerpunkt des Monats

Es muss ja nicht gerade ein schäbiger Stall sein…

Gemeindereferent Heiko Litz

Gemeindereferent Heiko Litz

Es sind chaotische Zeiten: Ein junges Paar macht sich auf den Weg in die Fremde. Nicht freiwillige, sondern äußere Umstände zwingen sie dazu, ihre Heimat zu verlassen. Zusammen mit Menschen aus allen Himmelsrichtungen sind sie wochenlang unterwegs. Die Reise ist gefährlich und voller Entbehrungen. Mehr als einmal verlieren sie die Orientierung. Sie sind in einer prekären Lage: Sie haben alles zurückgelassen, besitzen kaum mehr, als das, was sie tragen können. 

Die Frau ist hochschwanger. Auf der Suche nach einer Bleibe werden ihnen Türen zugeschlagen. Wohin sollen sie gehen? Ihr Handlungsspielraum ist stark begrenzt. Wie soll es weitergehen? Ängstlich blicken sie auf den nächsten Tag. Was wird er bringen? Irgendwie finden sie doch noch eine Unterkunft, schäbig zwar, aber besser als nichts. Immerhin ein Dach über dem Kopf. Sie behelfen sich so gut es eben geht. Dann kommt das Kind zur Welt. Es ist gesund, Gott sei Dank. Ein Licht im Dunkeln. Ein Hoffnungszeichen. Eine Verheißung für eine bessere Zukunft.

Diese Geschichte spielt vor über 2000 Jahren, als sich Maria und Josef auf die Reise von Nazareth in Galiläa nach Betlehem in Judäa aufmachen mussten. Jedes Jahr an Weihnachten halten wir uns diese Geschichte vor Augen. Was der Evangelist Lukas über die Geburt Jesu berichtet, ist im Grunde ein Flüchtlingsdrama. Bei Matthäus spitzt sich die Lage der jungen Familie noch weiter zu. Sie wird lebensbedrohlich, als Herodes zum Mord an allen Kleinkindern aufruft. Über Nacht muss die junge Familie nach Ägypten flüchten, um ihr Leben zu retten. 

Halten wir uns vor Augen, dass dieses Flüchtlingsdrama auch in unserer Zeit passiert: tausendfach, millionenfach in Afghanistan, in Syrien und in vielen anderen Länder unserer Welt. Ein Drama geschieht aber auch genau vor unseren Türen: Chaotische Zustände bei der Zuweisung von Flüchtlingen, schäbige Massenunterkünfte, mangelnde Perspektiven für Arbeit und Wohnung.
Die Weihnachtsgeschichte und die liebevoll von Kindern aufgeführten Krippenspiele von Herbergssuche, Geburt Jesu, Engeln, Könige und Hirten verharmlosen das Flüchtlingsdrama nicht - im Gegenteil, sie halten uns das Schicksal von Menschen auf der Flucht vor Augen, aber auch unsere Haltung ihnen gegenüber. Die Fluchtodyssee und Herbergssuche von Maria und Josef ist in Wiesbaden und anderswo in Deutschland reale Gegenwart. 

Weihnachtsgeschichte und Krippenspiel fragen uns nach unserer Rolle in dieser Geschichte. Sie fragen uns, wie wir uns für in Bedrängnis geratene Menschen einsetzen können. Vielleicht wissen Sie ja wo „Maria und Josef“ anklopfen könnten. Es muss ja nicht gerade ein schäbiger Stall sein…

Heiko Litz, Gemeindereferent

Bildnachweis: "place to be- refugee welcome center hamburg" von Rasande Tyskar via Flickr.