Unaufhörlich bringen wir im Beten und Singen der Kirche dies zum Ausdruck. Der österliche Jubelruf, das Halleluja, ist Ausdruck einer kaum mehr in Worte zu fassenden Freude, die niemals mehr zu enden und alles zu überwinden scheint. Vergessen scheint die traurige Welt des Karfreitag, unser Blick auf das Kreuz, die Wunden, die Ungerechtigkeit, das Sterben und den Tod. All dies ist offenbar einer neu gewonnen Leichtigkeit gewichen, die alles Lebensverneinende und Lebensbedrohliche hinter sich lässt.
Aber stimmt das auch wirklich? Oder ist die österliche Freude nur ein Trugbild? Ist am Ende das Osterfeuer oder die brennende Osterkerze ein Irrlicht, das alle Sorge und Not, um die wir wissen, einfach für ein bisschen Osterfreude überblendet. Und dann kommt die harte Wirklichkeit im Alltag zurück. Ja, wenn Ostern als Fest der Auferstehung nur als billige Vertröstung auf das Jenseits verstanden wird, dann bleibt das Diesseits trostlos – ohne wirkliche Freude.
Die Jünger haben sich erstmal schwer getan mit der Osterfreude. Die Vorstellung, dass Jesus von den Toten auferstanden sei, war ihrer Glaubens- und Lebenswirklichkeit vollkommen fremd. Die Erschütterung des Kreuzes: das ist es, was sie vor Augen haben, nämlich dass alles verloren war. Der Karfreitag steckt ihnen in den Knochen. Die Botschaft der Maria von Magdala für die Jünger war ja, dass man Jesus aus dem Grab weggenommen hätte. Diese bestürzende Nachricht macht den Jüngern Beine: Was ist da los? Petrus und Johannes laufen zum Grab. Das Grab ist leer. Doch nach einem Grabraub sieht es nicht aus. Erstmals scheint in den Jüngern eine Ahnung davon zu wachsen, was geschehen war. Aber auch die anderen Jünger haben noch einen mühsamen Weg vor sich zu begreifen. Davon sprechen die Osterberichte in den Evangelien: Den Emmausjüngern erklärt der Auferstandene die Schrift und bricht mit ihnen das Brot, bis sie endlich verstehen, was geschehen ist. Maria von Magdala will den Auferstandenen nicht erkennen und hält ihn für einen Gärtner. Der Apostel Thomas verlangt klare Beweise für Jesu Auferstehung. Er möchte seine Wunden berühren …
Woran erkennen die Jünger den Auferstandenen? Sie erkennen ihn an seinen Wunden. Dann erfüllt sie österliche Freude. Die Kreuzesmale des auferstandenen Jesus werden hier zum Erkennungszeichen, zum Identitätsmerkmal. Und daran wird etwas Wesentliches sichtbar: Die Freude über die Auferstehung, die Osterfreude, blendet die Verwundungen nicht aus; im Gegenteil: sie nimmt sie in den Blick. Die Freude von Ostern ist eben kein Irrlicht; sie übergeht nicht die Sorgen und die Not unserer Welt. Die Freude von Ostern ist eine Freude, die auch dann noch trägt, wenn es im Leben nichts zu lachen gibt. Denn das Ostern Jesu gab es nicht ohne den Karfreitag. Das Licht von Ostern leuchtet nicht an der Not unserer Welt vorbei, sondern in sie hinein. Jesus ist kein Strahlemann, der über alle Sorgen und Fragen des Menschen hinweggeht und davon nichts wissen will; nein: er tritt in die Not des Menschen ein und erfährt sie am eigenen Leib. Er ist nicht der Strahlemann, sondern er ist das Licht, das in die Finsternis unserer Not, unserer Schuld, unserer Begrenzungen hineingetreten ist, und so diese Finsternis zerstreut hat. Christus hat das Licht dorthin gebracht, wo es dunkel ist, bis hinein in die Finsternis des Todes. Und so ist es hell geworden. Dafür hat er sich verwunden lassen. Dafür ist er am Kreuz gestorben – und auferstanden.
Warum hat Gott diesen Weg gewählt, Mensch zu werden in Jesus Christus, in die Abgründe unserer irdischen Welt einzutreten und darin zu einem Leidenden zu werden in seiner Passion? Dafür gibt es nur eine einzige Antwort: Die Passion Gottes ist der Mensch; seine Leidenschaft – das sind wir. Gott geht diesen Weg, weil er uns liebt. In dieser unerschütterlichen Liebe Gottes zum Menschen hat die österliche Freude ihren tiefen Grund.
So wünsche ich Ihnen – auch im Namen unseres ganzen Teams – ein frohes und gesegnetes Osterfest.
Pfarrer Klaus Nebel, Stadtdekan
Fotos: Martha Gahbauer/pfarrbriefservice.de und dem Referenten für Öffentlichkeitsarbeit