St. Bonifatius Wiesbaden

Der „Werzwisch“

Theologie SpiritualitätAutor

Pfarrer Klaus Krechel zur Kräutersegnung am Hochfest von Maria Aufnahme in den Himmel am 15. August

Die katholische Kirche feiert am 15. August das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Die Kirche bekennt, dass Maria mit Leib und Seels in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde. Maria hat durch ihr „Ja“ in der Stunde der Verkündigung („Du wirst einen Sohn empfangen, de, sollst Du den Namen Jesus geben“, Lk 1,31) eine besondere Verbindung zu Gott. Durch dieses „Ja“ zum Willen Gottes wurde das „ewige Wort Gottes“ in ihr Fleisch (Joh 1, 1-17). Sie war offen für Gott und seinen Willen. Auch in ihrem Tod konnte diese tiefe Beziehung zu Gott nicht zerstört werden.

Pfarrer Klaus Krechel ist Seelsorger am katholischen St. Josefs-Hospital in Wiesbaden

Pfarrer Klaus Krechel ist Seelsorger am katholischen St. Josefs-Hospital in Wiesbaden

Am 1. November 1950 hat Papst Pius XII. die Lehre, dass Maria mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde, als Glaubenssatz verkündet und damit einen in der katholischen und der orthodoxen Tradition seit langem vorhandene Glaubensüberzeugung endgültig bestätigt.    Das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel ist in der Ostkirche bald nach dem Konzil von Ephesus im Jahre 431 aufgekommen; in der römischen Kirche wird das Fest seit dem 7. Jh. begangen. Mit dem sommerlichen Marienfest ist seit dem 9. Jahrhundert die Segnung der Kräuter und Blumen verbunden.

Die Natur, die Schöpfung Gottes wird an diesem Tag besonders in die Liturgie der Kirche mit hineingenommen. Die Christen sagen Dank für das Heil, das sie durch den Tod und die Auferstehung Jesu zugesagt bekamen. Dieses Heil ist Heil für Seele und Leib. Der gesamte Mensch, die gesamte sichtbare Welt, ist erlöst und befreit durch Jesus Christus. Die geheilte und erlöste Welt wird deutlich und sinnlich erfahrbar in der Heilkraft der Kräuter und Blumen und den Kräften der Natur. All das dient zum Heil der Menschen. Schöpfung und Welt, Gott und Mensch haben eine tiefe, untrennbare Beziehung bis zum Ende der Zeit.     

An vielen Orten ist die alte Tradition heute noch lebendig, am Fest Mariä Himmelfahrt einen „Würzwisch“ mit zur Kirche zu bringen. Woher dieser Brauch kommt erklärt auch eine Legende: Den Aposteln, die am dritten Tage nach der Entschlafung Mariens ihr Grab besuchten, schlug eine Woge köstlichen Wohlgeruchs entgegen. Das Grab war verlassen, dafür aber angefüllt mit Rosen und Lilien, rings aber um die Grabstätte sprossen und blühten die Heilkräuter, die die Gottesmutter in ihrem Leben geliebt hatte.      Daraus entstand vor allem in den ländlichen Regionen der Brauch am 15. August den „Werzwisch“ zu binden und im Festgottesdienst zu segnen.

Hinter diesem seltsam klingenden Wort „Werzwisch“ verbirgt sich also ein Kräuter- oder Würzstrauß. „Wisch“ bedeutet mundartlich Wedel – also ein Kräuterbündel, das in diesen Tagen geschnitten wird (mancherorts heißt er auch „Krautwisch“ oder „Kräuterbuschen“) In früheren Zeiten wussten die Menschen viel mehr von Heilkraft der Wildkräuter, zumal viele gar keine andere Medizin zur Verfügung hatten. In den Klöstern zählten die Kräutergärten zur festen Einrichtung. Die Hl. Hildegard von Bingen, bekannt für ihre ganzheitliche Sicht des Menschen, verstand es mit den Pflanzen aus ihrem Garten, Leib und Seele Hilfesuchender zu heilen.

Der „Werzwisch“ hatte neben seiner medizinischen Bedeutung aber auch eine spirituelle: er sollte zum Beispiel auch vor Blitzeinschlag schützen, daher ist es üblich das Gebinde nach dem 15. August auf dem Dachboden aufzuhängen oder ins Gebälk zu stecken.

Der gläubige Mensch sieht einen Zusammenhang zwischen Maria und den Kräutern und Blumen: Auf Bildern wird Maria häufig mit Blumen dargestellt, Maria im Rosenhaag, Maria mit Nelken, Lilien und Veilchen. Etliche Blumen tragen ihren Namen: Muttergottesgläschen, Marienraute, Frauenschuh, Marienblümchen, Frauenmantel. In Liedern und Gedichten wird besungen, wie alles Blühende, Erquickende und Heilende und Schöne zu ihr gehört. Maria ist die schöne Blume schlechthin, die Zierde, die Gott lobt und preist und den Menschen Heil und Leben bringt.

Der Abschnitt von Mitte August bis Mitte September gilt als die wertvollste Zeit zum Sammeln der Kräuter, weil den Pflanzen in diesen Wochen angeblich eine besondere Kraft innewohnt. So fallen in diese Zeit auch fünf Mariengedenktage, ehe der Rosenkranzmonat Oktober vom Dank für die Ernte und die Gaben Gottes bestimmt wird und uns durch Maria zu Jesus führt, der gebenedeiten Frucht ihres Leibes.

Zum geweihten Kräuterbüschel gehören oft Kräuter in einer besonderen Anzahl: sieben Kräuter. Sieben als Summe von 3 + 4: Zahl der Fülle und Vollendung, oder zwölf (3 x 4 die Vereinigung der Zahl der Gottheit mit der Zahl der Welt, somit die Zahl für das vollständig Gewordene. Dabei kann Arnika, Aufrechte Osterluzei, Augentrost, Baldrian, Beifuß, Blutweiderich, Frauenmantel, Großer Wiesenknopf, Haselnusszweige, Johanniskraut, Kamille, Kleiner Odermennig, Königskerze, Kornähre, Leinkraut, Liebstöckel, Mädesüß, Malve, Marguerite, Mariendistel, Melisse, Odermennig, Pfefferminze, Raute, Rainfarn, Rispenhafer, Salbei, Sauerampfer, Schafgarbe, Spitzwegerich, Sumpfgarbe, Tausendgüldenkraut, Teufelsabbiss, Tüpfelhartheu, Thymian, Waldweidenröschen, Walnusszweige, Wasserminze, Wegwarte, Wermut, Wilder Dost, Wilde Möhre, in den Werzwisch gebunden werden.

Herr, unser Gott, Du hast Maria über alle Geschöpfe in den Himmel erhoben und sie in den Himmel aufgenommen. An ihrem Fest danken wir dir für alle Wunder deiner Schöpfung. Durch die Heilkräuter und Blumen schenkst du uns Gesundheit und Freude. Segne (+) die Kräuter und Blumen. Sie erinnern uns an deine Herrlichkeit und an den Reichtum deines Lebens. Schenke uns auf die Fürsprache Mariens dein Heil. Lass uns zur ewigen Gemeinschaf mit dir gelangen und dereinst einstimmen in das Lob der ganzen Schöpfung, die dich preist durch deinen Sohn Jesus Christus in alle Ewigkeit. Amen

Pfarrer Klaus Krechel

(vgl. Veröffentlichung der Pfarrei Bad Homburg/Ts., Das große Ravensburger Buch der Feste und Bräuche, Nassauische Neue Presse vom 01.08.2011, Benediktionale; © Klaus Krechel, JoHo 07/2016)

Vorschaubild: © LiliGraphie, Fotolia