Dieser Wandbehang hat für mich eine große Bedeutung. Diesen Wandbehang hatte meine Mutter nur mit einer Hand, der linken, gestickt. Sie hatte einen Schlaganfall erlitten. Damals vor über 40 Jahren wurde dies mangelhaft behandelt. Sie hatte sich zwar nach langer Reha wieder einigermaßen ins Leben gekämpft, doch blieb eine rechtsseitige Lähmung zurück. Als Rechtshänderin musste sie nun alles mit Links machen.
Sie besorgte sich einen Stand-Stickrahmen und so konnte sie die Stiche mit einer Hand durchführen. Sie wollte diesen Wandbehang für meine Priesterweihe und Primiz fertigstellen. Sie konnte den Behang leider nicht ganz selbst vollenden. Sie hatte meine Priesterweihe nicht mehr erlebt. Sie ist zwei Monate vorher an den Spätfolgen des Schlaganfalls gestorben.
Sie wusste davon, dass die Schriftstelle vom brennenden Dornbusch für mich von großer Bedeutung ist. Deshalb wählte sie dieses Motiv.
Diese eigentlich sehr bekannte Szene aus der Geschichte von Moses und vom Auszug des Volkes Israel aus der Knechtschaft, hat mich, ich muss es so ausdrücken, „gefunden“. Ich hatte in meiner Schule einen Aushang eines Angebotes der Jesuiten in St. Georgen in Frankfurt gefunden: „Kurskorrektur“ – Kar- und Ostertage für Oberstufenschüler. Ich habe dieses Angebot wahrgenommen.
Während dieser Tage bin ich dieser Schriftstelle begegnet und habe gespürt: dieser Text ist für mich, ich komme darin vor! Ein Ausspruch eines Teilnehmers, ich weiß zwar nicht mehr, wie genau er es formuliert hatte, für mich wurde es dann zu meinem Gebet: „Herr, lass in mir einen Dornbusch brennen.“.
Immer mehr hat sich diese Schriftstelle für mich als mein „Lebens- und Hoffnungstext“ erwiesen. Da ist ein Zeichen einer Macht, ein Feuer, das zerstören müsste, aber eben gerade nicht zerstört. Gerade hierin offenbart sich unser Gott. Er offenbart sich als ein Gott, dem ich nicht egal bin. Er ist ein Gott, der zuhört und hinsieht! Es ist ein Gott, der zu mir herunter steigt, Mensch wird. Deshalb hatte ich diese Schriftstelle im letzten Weihnachts-Gemeindebrief als alttestamentliche Weihnachtsgeschichte vorgestellt.
Auch und gerade ist mir mein Lebenstext für mich als Priester ein Hoffnungstext. Immer wieder habe ich auf unerwartete Weise gespürt, wie ich beim Namen gerufen wurde, in mir ein Dornbusch brannte. Meist habe ich diese Erfahrungen und die Umstände, die dazu beigetragen haben, erst im Nachhinein als seinen Ruf deuten können. Diese Rufe waren irgendwie indirekt, über Umwege…Woraus ich besonders Hoffnung ziehe, gerade als Priester, ist dieser Dialog des Mose mit Gott: „Wer bin ich, dass ich…“ – „Ich bin mit dir…“! Obwohl ich mir meines Unvermögens bewusst bin, kann ich das mir Mögliche einbringen, denn ER ist mit mir. Er geht mit mir, auch meine Irr-und Umwege.
So hatte ich vor 39 Jahren meinem Primizspruch (Lukas 4,18.19) das Wort von Alfred Delp beigestellt: „Gott geht alle Wege mit“.
Pfarrer Matthias Ohlig