St. Bonifatius Wiesbaden

Gott kommt in die Welt

GemeindebriefPhilippe Jaeck

Die drei Geburten Gottes

Weihnachten ist ein sehr beliebtes Fest in unserer Gesellschaft. Für viele ist es ein Fest der Familie, ein Fest der Liebe. Die Geschenke werden besorgt, um besonders den Kindern Freude zu machen. Die kommerzielle Welt bietet eine sehr große Auswahl dafür. Das Festessen muss ausgezeichnet sein. Am Heiligabend werden die Streitigkeiten möglichst beiseite gelegt. Es soll alles friedlich verlaufen.

Für die Christgläubigen ist Weihnachten an erster Stelle ein Fest, das radikal die Existenz unseres Menschseins verändert. Gott kommt in unsere Welt, er wird Mensch. Gott wird einer von uns. Gott kommt in uns.

Johannes Tauler, deutscher Dominikaner und Mystiker des 14. Jahrhunderts, spricht in seiner Predigt am Weihnachtstag von den drei Geburten Gottes:

„Am heutigen Tage gedenkt die heilige Christenheit dreier Geburten, die jeden Christen so freuen und ergötzen müssten, dass er ganz außer sich vor Freude in Jubel und Liebe, in Dankbarkeit und innerer Wonne aufspringen sollte. Und wer solchen Drang nicht in sich empfindet, der soll sich ängstigen.

Die erste und oberste Geburt ist die, dass der himmlische Vater seinen Eingeborenen Sohn in göttlicher Wesenheit, doch in Unterscheidung der Person gebiert. Die zweite Geburt, deren man heute gedenkt, ist die mütterliche Fruchtbarkeit, die jungfräulicher Keuschheit in wahrhafter Lauterkeit zuteil ward. Die dritte Geburt besteht darin, dass Gott alle Tage und zu jeglicher Stunde in wahrer und geistiger Weise durch Gnade und aus Liebe in einer guten Seele geboren wird.“

Die erste Geburt ist ein Geheimnis in Gott selbst. Wir sprechen von einem Gott in drei Personen. Die zweite göttliche Person ist der Sohn, der vom Vater geboren wurde. Wir bekräftigen es im großen Glaubensbekenntnis:

„Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen.“

Die zweite Geburt ist von der Jungfrau Maria. Das feiern wir an Weihnachten. Gott wird Mensch, Gott wird einer von uns. Im Johannesevangelium (1,1;14) lesen wir: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ Die Krippen und die Krippenspiele helfen uns, dieses Ereignis mit unseren Sinnen zu erleben.

Die Liturgie der Weihnachtszeit scheut sich nicht, auch die harte Realität der Welt vor unseren Augen zu halten. Jesus wurde in einer Welt geboren, wo Gewalt herrschte. König Herodes begann die erste Christenverfolgung. Maria, Joseph und der kleine Jesus mussten von seinen Leuten fliehen. Viele kleine Knaben bis zum Alter von zwei Jahren wurden durch den Befehl Herodes getötet. Diesem Ereignis gedenken wir am 28. Dezember, dem Fest der Unschuldigen Kinder. Zwei Tage vorher ist das Fest des ersten Märtyrers Stephanus.

Mehr als 2000 Jahre später erleben wir, dass sich die Welt in dieser Hinsicht grundsätzlich nicht verändert hat. Kriege und Christenverfolgungen sind leider noch immer aktuell. Trotz allem werden die Menschen auch dieses Jahr in der Ukraine, im Gazastreifen, in Afrika, in Nordkorea und anderen Ländern, wo totalitäre Regime und Kriege herrschen, die Geburt Jesu feiern. Weil auch die andere Realität, die Realität Gottes, der aus Liebe zu uns Mensch geworden ist, da ist. Trotz allem wird Heiligabend ein Fest der Freude und der Liebe bei ihnen sein.

Die dritte Geburt, so Tauler, besteht darin, dass Gott alle Tage und zu jeglicher Stunde in einer guten Seele geboren wird. Diese Gottesgeburt ist zeitlich uneingeschränkt. Gott wird in uns geboren, wenn wir ihm unsere Herzen öffnen. Das können wir jede Sekunde tun, auch gerade jetzt.

Ob Gott in uns geboren wird, zeigen unsere Werke der Liebe. Darüber sprechen diese Zeilen aus Haiti:

„Weihnachten ist,
wenn alle bereit sind zum Fest.
Weihnachten heißt-
mit Hoffnung leben.
Wenn Menschen Menschen helfen,
wenn Fremde aufgenommen werden,
wenn einer dem anderen beisteht,
das Böse zu meiden
und das Gute zu tun –
dann ist Weihnachten!
Weihnachten heißt –
die Tränen trocknen;
das, was du hast, mit anderen teilen;
die Not der anderen mildern.
Wenn du Unglücklichen beistehst,
dann ist Weihnachten,
jedesmal, wenn einer dem anderen
Liebe schenkt;
wenn die Herzen zufrieden sind,
wenn Menschen Menschen glücklich machen -
dann ist Weihnachten!
Dann steigt Gott vom Himmel herab
und bringt uns sein ewiges Licht.“

Öffnen wir unsere Herzen, dass Gott in uns geboren werden kann!

Ich wünsche Ihnen gesegnete und frohe Weihnachten!

Sr. Katrina Dzene, Gemeindereferentin