St. Bonifatius Wiesbaden

Kirchorte

Kerb, Kirmes, ... – Kirchweih!?

Gemeindebrief, Theologie SpiritualitätPhilippe Jaeck

Warum ist die Kirchweih ein Volksfest wert?

Wem ist die Kerb? Uns!
Un sie werd gehalle,
und sie werd versoffe!

Kerbeborsch: Hier!
Kerbemädsche: Hier!

Und wenn die Stern vom Himmel falle
Die Bleichter Kerb werd doch gehalle
Sie werd gehalle wie all die Johr
bis Dienstags moirn, des ist doch klor!
Die Glocke mache Bimmel Bammel
der … is de Kerbehammel

Diesen Ruf hört man immer wieder Ende August im Taunussteiner Ortsteil Bleidenstadt, wo ich früher Pfarrer war. Zumeist wird der „Kerbespruch“ vom jeweiligen Kerbevadder, auch mal von einer Kerbemudder angestimmt und lauthals mitgebrüllt.

Das gehört zu den Ritualen dieses jährlichen Volksfestes, wie es landauf landab in unterschiedlichen Formen und landsmannschaftlich unterschiedlichen Namen: Kirmes, Kerwa, Kirtag … gefeiert wird. Da denkt man an Bierzelt, „Dicke-Backe-Musik“, Rummelplatz mit diversen Fahrgeschäften und anderes.

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Doch wer denkt daran, dass alle diese Feste und die Bezeichnungen von „Kirchweih“ herkommen? Im Bleichter Kerbespruch klingt es durchaus an „Die Glocke mache Bimmel Bammel …“ und der Festort ist rund um die St. Ferrutius-Kirche. Kirchweih ist so wichtig, dass man jährlich ein fröhliches und buntes Fest feiert!

Für uns in der Landeshauptstadt klingt das fremd. Da wird fein Weinwoche, Wilhelmstraßenfest und Stadtfest gefeiert, aber so Banales wie Kerb, das überlässt man den Stadtteilen wie z. B. die „Gibber Kerb“ bei mir in der Nachbarschaft.

An keinem unserer Kirchorte gibt es eine Kerb, vielleicht, weil unsere Kirchen zu jung sind. Ich habe aber auch den Eindruck, dass überhaupt das Gedächtnis der Weihe unserer Kirchen nicht besonders beachtet wird. Das finde ich sehr schade.

Wir verwenden ja dasselbe Wort für das Gebäude wie auch für die Gemeinschaft, die sich im Gebäude trifft. Wir brauchen einander!

Wir brauchen Räume um uns zu versammeln, gemeinsam das Wort Gottes zu hören, Sakramente zu feiern, gemeinschaftlich und auch persönlich zu beten, in vielfältiger Weise unseren Glauben zum Ausdruck zu bringen.

Unsere Kirchen wirken in zweifacher Weise:

Sie sind Landmarken, die darauf hinweisen, hier gibt es Christen. Nicht umsonst gehören Kirchen überall und auch in Wiesbaden zum touristischen Pflichtprogramm. Erstaunlich auch, wie nach der Wende, in teilweise völlig entkirchlichten Gegenden der neuen Bundesländer, Dorfbewohner für den Erhalt oder gar Wiederaufbau ihrer Dorfkirchen gekämpft haben. Auch die Reaktionen zum Brand von Notre Dame in Paris zeigen die Bedeutung von Kirchenbauten.Aber auch für uns sind Kirchen überaus wichtig, und das nicht nur weil wir Versammlungsräume brauchen. Kirchen sind mehr als das!

In unseren Kirchen spiegelt sich wider, was in ihnen geschieht, wie sich auch die Gemeinschaft verändert, entwickelt … Aber es spiegelt sich auch, quasi als unsichtbare Ablagerung, der gefeierte Glaube, das Gebet unzähliger Glaubender, durch die Generationen.

Interessanterweise gibt es zur Zeit in unserer Pfarrkirche (deren Kirchweih sich dieses Jahr zum 170. Mal jährt) ein sichtbares Symbol dafür. Nachdem vor ein paar Jahren die Heiligenfiguren sinnvollerweise neu an den Säulen angebracht worden sind, haben sie doch an den ursprünglichen Aufstellungsorten sichtbare Spuren hinterlassen. Quasi als Negativ haben sie an der Wand durch Kerzenruß und Staub ihre Umrisse hinterlassen. Zwar wird dies, nach der hoffentlich bald stattfindenden Renovierung, nicht mehr sichtbar sein. Doch schauen Sie jetzt genauer hin, wenn Sie durch die Türen im Querschiff die Kirche verlassen: das sind keine Hinweise für die Renovierungsbedürftigkeit, sehen wir sie als Zeichen der Ablagerung des Glaubens!

Eine dieser nicht mehr vorhandenen Figuren ist künstlerisch aufgearbeitet auf dem Titelblatt zu sehen.

Wir müsse nicht künstlich eine Kerb einführen, aber wir sollten die Weihen unserer Kirchen wieder mehr beachten. Denn wir feiern dann „in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche den Weihetag dieses Hauses, an dem Du (Gott) es zu eigen genommen und mit Deiner Gegenwart erfüllt hast“ wie es im Hochgebet der Messe formuliert ist.

Deshalb lade ich Sie herzlich ein, der Weihe unserer Pfarrkirche St. Bonifatius vor 170 Jahren am Sonntag, den 23. Juni, um 11:00 Uhr, im feierlichen Hochamt zu gedenken!

Pfarrer Matthias Ohlig

An diesen Tagen wurden unsere Kirchen geweiht:

19. Juni 1849 St. Bonifatius
5. Oktober 1895 Maria Hilf
29. September 1912 Dreifaltigkeit
29. März 1936 St. Elisabeth
30. September 1956 Heilige Familie
23. August 1964 St. Michael
26. Mai 1965 St. Andreas
29. September 1968 St. Mauritius

Foto: Referent