St. Bonifatius Wiesbaden

Das Licht des Glaubens

GemeindebriefKatarzyna Klöckner

Der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi ist der zentrale Kern des christlichen Glaubens. Man kann nicht Christ sein, ohne an die Auferstehung Jesu zu glauben. Mit dem Entzünden des Osterfeuers setzen wir im Feiern und Beten der Kirche einen markanten Punkt: Das neue Licht der Osterkerze sagt uns, dass die Finsternis keine Macht mehr hat. Christus, das Licht, hat alle Dunkelheit vertrieben und das Leben neu geschaffen.

Das klingt schön und irgendwie auch tröstlich; aber stimmt das auch? Das müssen wir uns doch gerade angesichts der Dunkelheiten, die uns auch gegenwärtig umgeben, fragen, angesichts der Schrecknisse, der Gewalt und der Kriege. Oder ist Ostern nur eine Chiffre, ein religiöses Tamtam, das uns über das Abgründige in der Welt oder das Bedrückende in unserem eigenen persönlichen Leben etwas hinweghelfen will? Dann wären die Flammen des Osterfeuers aber nur eine optische Täuschung, ein Licht, das in Wirklichkeit nicht hell macht und ein Feuer, das nicht wirklich wärmt. Was bedeutet dieses österliche Licht also wirklich für uns oder kurz: Welche Bedeutung hat der Glaube an die Auferstehung Christi wirklich?

Gewiss: Den Blick auf das Dunkle, das Gewaltsame und Traurige in der Geschichte des Menschen haben wir nicht übersprungen. Vor Ostern steht das Kreuz. Der Karfreitag hat den Blick auf das Kreuz freigegeben. Darin ist wie unter einem Brennglas alle Ungerechtigkeit und Grausamkeit der Welt sichtbar gemacht. Und dabei tauchen Fragen auf: In seiner vollkommenen menschlichen Entäußerung stellt Jesus betend die Frage „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Der menschgewordene Gott stellt am Kreuz diese Frage? Er fragt sie mit uns Menschen. Dieses „Warum?“, das wir Menschen immer wieder fragen. Das „Warum?“ angesichts des Leids in der Welt. Das „Warum?“ angesichts der Zerbrochenheiten in unserem persönlichen Leben? Das „Warum?“ angesichts unserer Verfehlungen, unserer Schuld. Und schließlich das letzte „Warum?“, in dem wir überhaupt nach dem Sinn unserer menschlichen Existenz fragen.

Klar ist auch: Wenn der Karfreitag alles wäre und danach nichts mehr kommen würde, dann blieben Welt, Mensch und Geschichte als ganze selbst im Karfreitag stecken, eben in Ungerechtigkeit, Leid und Sinnlosigkeit. Denn hätte der Tod das letzte Wort über unser Leben, dann wäre nicht nur unser Glaube, sondern unser ganzes Leben sinnlos; dann wäre der Mensch nicht mehr als ein tragisches Produkt der Natur, dessen Existenz immer und notwendig im Scheitern des Todes verendete. In letzter Konsequenz wäre auch alles, was uns so wichtig erscheint, insgesamt bedeutungslos: Dann gäbe es keine Hoffnung auf eine letzte Gerechtigkeit und keine wirkliche Antwort auf die Frage, warum wir gut sein sollen, dann gäbe es keinen unsere Existenz umgreifenden Sinn, keine Hoffnung auf das im tiefsten Sinne verstandene Glück, nach dem der Mensch ein Leben lang ausgreift. Ja, wenn der Tod das letzte Wort im Leben hätte, dann wäre auch Liebe im Sinne echter Hingabe und Selbstlosigkeit riskante Verschwendung des eigenen Lebens und möglicherweise verbunden mit der ständigen Angst, selbst zu kurz zu kommen. Wenn der Tod also die letzte Perspektive des Menschen wäre, dann wäre unser Menschsein unmenschlich.

Ein entscheidender Punkt ändert aber alles: Im Licht der Osterkerze blicken wir neu und anders auf das Kreuz. Das Licht der Auferstehung Christi lässt uns nämlich erkennen, wer dort am Kreuz hängt: Hier geht Gott den Weg des Menschen mit. Das ist unser Glaube. Und dieser Glaube ist so notwendig für den Menschen, weil er so heilsam ist. Die Jünger erkannten die ganze Bedeutungstiefe des Kreuzestodes Jesu auch erst im Licht des Auferstandenen. In der Begegnung mit dem auferstandenen Christus verstanden sie, was eigentlich Großes geschehen war: In Jesus Christus ist Gott selbst in den letzten Abgrund unseres Daseins eingetreten, eben in Leid, Ungerechtigkeit, Sterben und Tod. So ist jeder Winkel unserer Existenz mit der Gegenwart Gottes erfüllt. Wo aber Gott ist, da ist das Leben. Weil es Christus war, weil es der menschgewordene Gott war, der am Kreuz gestorben ist, können wir sagen: Im Tod ist das Leben. Weil es Christus war, ist er auferstanden, hat so den Tod besiegt und dadurch uns allen die Ewigkeit Gottes erschlossen.

So sind wir mit der Auferstehung Jesu zur gläubigen Gewissheit gekommen, dass der Tod nicht mehr das letzte Wort über unser Leben hat. Und damit ist uns auch alles andere wieder geschenkt: Das Leben hat einen Sinn, weil es sein Ziel in der Auferstehung, in der Ewigkeit Gottes hat. Und selbstlose Liebe ist nicht mehr riskante Verschwendung, sondern Erfüllung der Bestimmung unseres Menschseins, ja ein immer mehr heimisch werden in jener letzten Heimat, die uns durch die Auferstehung Jesu bei Gott bereitet ist, denn Gott ist die Liebe. So ist die Auferstehung Jesu auch der unaufgebbare Bezugspunkt wahrer Menschlichkeit. Von Ostern her kann der Mensch wirklich Mensch sein.

Das Leuchten von Ostern ist also kein Irrlicht, keine optische Täuschung und auch nicht bloß ein persönlicher spiritueller Zuckerguss über unserem Dasein. Die Wahrheit ist doch, dass der Mensch ohne dieses Licht gar nicht wirklich leben kann.

Der Mensch muss wenigstens dieses österliche Licht für sich erhoffen, in dem sich die Ewigkeit für ihn öffnet, damit ihm jener Sinngrund geschenkt ist, von dem her er erst wirklich Mensch sein kann. Oder aber er schließt sich dem Glauben der Kirche und damit dem Zeugnis jener Jünger an, denen der Auferstandene wirklich erschienen ist und die ihm damit sagen können: Die Tür zum Ewigen, die du suchst und ersehnst, steht längst schon offen für dich und diese Tür ist Jesus Christus.

Im Schein der Osterkerze blicken wir nun neu und anders auf das Kreuz Jesu: es spricht zu uns von der unüberbietbaren Hingabe Gottes, die uns das Leben gebracht hat.

Ja, der Herr ist wahrhaft auferstanden. Über allen Weiten und Wüsten der menschlichen Geschichte erhebt sich das Kreuz Christi wie ein Siegeszeichen der Liebe Gottes. Es sagt uns, dass das letzte Wort über die Geschichte nicht der Tod ist, sondern das Leben.

So wünsche ich Ihnen allen von Herzen ein frohes und gesegnetes Osterfest.

Pfarrer Klaus Nebel, Stadtdekan