St. Bonifatius Wiesbaden

Aus dem Leben der Pfarrei

Radoslaw Lydkowski

Ausschnitt aus dem Tagebuch. Februar 2022

Aus dem Leben der Pfarrei, GemeindebriefPhilippe Jaeck

Unser ehemaliger Kaplan Radoslaw Lydkowski ist gerade auf Kuba in Mission. Hier berichtet er von seinen Erlebnissen:

Heute lebe und arbeite ich seit genau zwei Monaten auf Kuba. Die Zeit läuft unglaublich schnell und ich weiß nicht, wo diese zwei Monate geblieben sind.. Am 16. Dezember bin ich in Havanna gelandet. Nach stundenlangen Kontrollen durfte ich das Terminal verlassen und meinen neuen Pfarrer kennenlernen. Die erste Nacht verbrachten wir in einem verlassenen ruinierten Pfarrhaus. Das Regenwasser läuft hier durch die Decke und in der Wohnung wurden Eimer verteilt, um es aufzufangen. Ein kubanischer Freund wohnt dort und kümmert sich um alles. Ohne seine Gegenwart würde in sehr kurzer Zeit alles aus dem Haus geklaut, was noch zu klauen wäre. Zum Abendessen hatte mein Kollege Adam 17 Studenten unserer Pfarrei eingeladen, die wir mit einem Stipendium von 500 CUP (5 €) monatlich unterstützen. Die Armut hier ist so groß, dass mancher sich prostituiert, um studieren zu können.

Auf Kuba gibt es keinen Religionsunterricht in der Schule. Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben ihre Schule in der Pfarrei. Es ist ein Teil von meinen Aufgaben, sie in ihrem Leben zu begleiten und ihnen den Religionsunterricht zu geben. Von daher kennt Adam die Studenten sehr gut. Um 1 Uhr in der Nacht sind wir zurück ins Pfarrhaus gekommen und ich konnte paar Stunden schlafen. In Deutschland war es bereits 7 Uhr morgens. Ich bin vor meiner Abreise in Paris um 5 morgens aufgestanden. Am nächsten Tag hatten wir ein paar Stunden in Havanna verbracht, etwas gegessen und am Nachmittag sind wir mit einem Bus (15h) nach Bayamo aufgebrochen. Am nächsten Tag kurz nach 6 Uhr konnte ich in das Pfarrhaus eintreten und auf mich wartete mein neues Zimmer, mein neues Zuhause. Zwischendurch hat Adam festgestellt, dass während seiner Zeit in Havanna das Geld, PC und andere Sachen aus seinem Zimmer verschwunden sind. Erster Eindruck von Kuba: pass auf deine Sachen auf! Durch die Armut wird hier sehr viel geklaut. Durch die Straßen spazierend sieht man, wie die Menschen alles, was nur durch die Tür passt (incl. Motorräder), mit sich hinein in ihre Häuser mitnehmen.

So bin ich am 17. Dezember am frühen Morgen in Bayamo angekommen. Am Nachmittag haben wir direkt zwei unserer Kapellen besucht und da die Gottesdienste gefeiert. Erst vor kurzer Zeit habe ich den Weg zu der letzten Kapelle gefunden. In der Pfarrei Allerheiligster Erlöser feiern wir die Gottesdienste in 8 Orten. Am Dom, in den 4 Kapellen in der Stadt Bayamo und in drei Dörfern. Am Samstag vormittags besuchen wir die Dörfer (150km) und am Nachmittag feiern wir die Gottesdienste in Bayamo. Ich bin sehr glücklich, dass ich schon in den zwei Monaten so viele Begegnungen in allen Orten hatte. Die Katechese, die Gottesdienste, die Taufen, die Jugendtreffen, das Weihnachtsfest mit vielen Begegnungen, die Exerzitien für Priester und Diakone, die Krankenbesuche. Ich bin in der Katechese der Jugend tätig und bereite mich fleißig für die Katechese der Kinder vor. Vor meiner Ankunft hatte Pfarrer Adam hier jedes Wochenende sechs Gottesdienste gefeiert. Jetzt teilen wir die 8 Messen auf uns beide.

Was mich besonders beeindruckt hat: es war der Gottesdienst an Weihnachten, am Fest der Heiligen Familie. Alle Paare, die in der Kirche waren und in einer sakramentalen Ehe leben, standen in dem Mittelgang und haben sich gegenseitig das Eheversprechen erneuert. Der Dom ist groß und ab dem Altar bis zum Ausgang standen die Menschen aller Lebensgruppen. Am Weihnachtsfest nach der Christmette kamen die Jugendlichen in unsere Küche und haben angefangen Weihnachten zu feiern. Mit den Gitarren, dem Gesang und den einfachen Getränken haben sie einfach das Leben genossen. Es freut mich sehr, dass unser Pfarrhaus offen ist.

Ich war auch zusammen mit anderen Mitarbeitern des Bistums in einem besonderen Gottesdienst in Santiago de Cuba. Das Bistum Santiago de Cuba hat ein Jubiläum gefeiert. Vor 250 Jahren wurde der Heilige Antonio Maria Klaret zum Bischof ernannt und aus Stolz haben die Menschen in Santiago gefeiert. Ich habe den ersten Ausflug mit der Jugend gemacht. Und die Autos…, die sind einfach Hammer. Das, was man von Kuba gehört hat und vielleicht in einem Film gesehen hat. Die Oldtimer, die sind einfach klasse. Die Autos haben natürlich auch ihre Schattenseiten. Es gibt sie noch, weil es ein Embargo der USA gibt, weil niemand sich ein neues Auto hier leisten kann, weil die neuen Autos dreimall so teuer verkauft werden, wie in Deutschland. Deshalb versucht man mit aller Kraft das Alte aufrecht zu erhalten und zum Fahren zu bringen. Es ist auch eine Schattenseite, dass man hier, bei so wenig Autos auf den Straßen, so viele Unfälle hat. Die Autos sind in einem schrecklichen Zustand und wirklich lebensgefährlich. Ich habe Glück, dass wir in der Pfarrei ein relativ neues Auto haben und es fährt. Ich habe Geschichten von meinen Mitbrüdern gehört, wie bei einem die Bremsen nicht funktioniert haben, wie in einem anderen das Wasser im Regen hoch bis zum Sitz stand, wie in einem weiteren der Beifahrersitz abgebrochen ist, weil das Auto von unten schon so verrostet ist und viel mehr. Wir sind hier nicht viele und der Kontakt ist zusätzlich erschwert, weil viele einfach Angst haben, sich mit dem Auto zu bewegen. Eine andere Frage ist, ob man Benzin zum Fahren kaufen kann. Es gab hier eine Zeit, in der wirklich kein einziges Auto gefahren ist, weil es kein Benzin gab. Es ist nicht einfach hier, nicht einfach von hier weg zu kommen…

Für mich standen immer an erster Stelle die Menschen. Die Menschen sind die Kirche. Und sie sind hier unglaublich. Bei so vielen Schwierigkeiten und Herausforderungen des Alltags, bei dem ganzen Schmerz, den sie mit sich tragen, machen sie das beste draus, was möglich ist. Der Traum der Kubaner ist, von hier weg zu kommen, das Land zu verlassen. Sie haben Sehnsucht nach einem normalen Leben. Ich habe schon von paar Kubanern gehört, dass wir Ihnen durch unsere Anwesenheit Mut machen und die Hoffnung zurückgegeben haben. Sie wollten mal weg, aber jetzt möchten sie an unserer Seite um eine bessere Zukunft kämpfen. Sie können nicht glauben, dass wir ein bequemes Leben in Europa verlassen haben um an ihrer Seite zu stehen. Unsere Anwesenheit hier ist ein Glaubenszeugnis und die Verkündigung des Evangeliums. Sie können sich nicht ihre Freude vorstellen. Es berührt mich immer wieder und stärkt mich in meiner Entscheidung. Ich bin hier, weil Gott das so wollte… und ich versuche seinem Plan zu folgen, wie ich bei meiner Verabschiedung aus Deutschland geschrieben und gesagt habe.

Ich habe in so kurzer Zeit so viele schmerzhafte Geschichten gehört. Ich lerne selbst damit umzugehen. Generell lerne ich hier sehr viel. Ich bin sehr glücklich, dass ich nach 9 Monaten in Polen einen weiteren Sprachkurs in Spanien absolvieren durfte. Zur meiner Verabschiedung habe ich Geldspenden bekommen und sie in meine Spanischkenntnisse investiert. Das zahlt sich jetzt aus. Ich weiß aber auch ganz genau, dass ich noch Jahre brauchen werde, um mich weiter sprachlich zu entwickeln. Es gibt noch unglaublich viel, was ich nicht verstehe, aber ich weiß, dass auch alles seine Zeit braucht. Eine unendliche Geschichte und ein Abenteuer. Und Geduld ist unsere Stärke. Geduld braucht man auf Kuba. Wenn jemand r aus Deutschland kommt und erwartet die Leistungen auf dem Level aus Deutschland, wird hier sehr leiden.

Nur eine Geschichte, die mir in Havanna passiert ist. Ich war zwischendurch paar Tage in Havanna, um meine Aufenthaltsgenehmigung zu organisieren. Am Donnerstag war ich um 16 Uhr mit meinem kubanischen Freund verabredet. Er sollte mich zu einer Pfarrei außerhalb von Havanna fahren, weil ich da Vertretung hatte. Ich, Deutscher, fünf Minuten vor der Zeit bereit zur Abfahrt, warte auf das Auto vor der Tür. Nach einer halben Stunde bin ich wieder ins Pfarrhaus gegangen und habe die Sonne auf dem Balkon genossen. Kurz vor 18 Uhr habe ich mir Kaffee gemacht und zwischendurch kam mein Kollege von der Arbeit. Wir trinken den Kaffee und um 18.15 Uhr fragte ich ihn, wie sieht Dein Plan aus? Kannst du mich fahren? Er sagte mir mit aller Ruhe der Welt: ja klar, wir fahren, ich muss nur noch auf dem Weg dahin im Auto das Öl wechseln. Ich fragte: wann hast du den Termin? Er sagte mir mit aller Ruhe um 18 Uhr. So kamen wir um 19 Uhr zu dem Termin um 18 Uhr. Mein Termin um 16 Uhr war in der Warteschleife. Um 21 hat er einen Anruf bekommen, dass er in Havanna Menschen vom Punkt A nach Punkt B bringen muss, und so kam ich um 23 Uhr an meinem Ziel an. Geduld!

Liebe Freunde, liebe Schwestern und Brüder,

ich habe in so kurzer Zeit so viel hier erlebt und gehört. Das kann man nicht einfach auf paar Seiten zusammenfassen. Ich bin hier, um an der Seite der Bedürftigen zu sein. Durch Wort und Tat das Evangelium zu verkünden. Ich habe von einer Studentin direkt am ersten Tag gehört, dass ich nicht in der Dritten Welt gelandet bin, hier ist die 5. Welt. Ich bin froh, hier arbeiten zu dürfen. Ich habe in relativ kurzer Zeit viele schmerzhafte Abschiede erlebt. Zuerst aus Deutschland, dann nach einem Jahr in Polen. Aber ich sehe in meinem Dienst einen tiefen Sinn und eine Mission. Mein Dienst hier ist nur möglich, weil ich selbst von Spenden aus Europa überleben kann. Ich bekomme ein Monatslohn in der Höhe von 2500 CUP, umgerechnet sind das 25USD. Für die 2500 CUP tanke ich das Auto, um Menschen in meiner Gemeinde zu besuchen. Mein Gehalt gebe ich an einen afrikanischen Priester ab, weil er keine Hilfe aus Kongo hat. Wir helfen den ärmsten Menschen hier und kaufen für sie Reis und Bohnen. Wir unterstützen unsere Studenten, helfen zwei Priestern aus Afrika. Für die kleinsten Kinder aus dem Kindergarten und der Grundschule haben wir zum Dreikönigsfest kleine Geschenke vorbereitet mit Schreibwaren und Produkten, wie Zahnbürsten, weil sie das einfach nicht haben. Bei einer Predigt für Kinder habe ich sie gefragt, was besser schmeckt, das Wasser oder Fanta? Sie wussten nicht, wie Fanta, oder ein ähnliches Getränk schmeckt, weil sie sich das nicht leisten können. Für einen Seminaristen und paar andere Studenten aus der Pfarrei hat Pfarrer Adam einen PC organisiert, damit sie studieren können. Mein polnischer Freund hat mir empfohlen Medikamente für alles Mögliche mitzunehmen. Ich habe die Hälfte von meinem Reisekoffer mit Medikamenten gefüllt. Die Apotheken sind sehr schlecht ausgestattet oder sind leer. Wir verteilen mit Absprache mit unseren Ärzten aus der Pfarrei die Medikamente.

Ihr Lieben,

wenn jemand von Ihnen eine Möglichkeit hat und möchte den Menschen hier ein Stück helfen und mich in meiner Arbeit unterstützen: Ich bitte Sie um Ihre Spenden! Es gibt zwei Wege. Zum einem durch die Polnische Bischofskonferenz Abteilung Weltmission. Da gibt es die Zentrale und die Buchhalterinnen verwalten die Spenden für unsere Arbeit. Ich weiß nur nicht, ob Google Ihnen die Internetseite übersetzen wird und dabei helfen wird: http://www.misje.pl/pomoc-misjom-313/patronat-misyjny-337

Wenn es nicht der Fall ist, kann ich Ihnen über Whatsapp oder E-Mail helfen und alle Fragen beantworten. Oder der zweite Weg direkt über mich. Setzen Sie sich bitte über E-Mail mit mir in Kontakt: radekenKuba@yahoo.com

Ich bitte Sie weiter um das Gebet und verspreche mein Gebet für Sie. Ich möchte im Juni oder im Juli nach Europa zurückreisen und würde mich sehr freuen die Pfarreien, in denen ich gearbeitet habe zu besuchen, um über Kuba und meine Arbeit zu berichten. Es gibt nur zurzeit zu viele Fragezeichen und ich kann einfach nichts planen. Es gibt aber eine Idee im Kopf und ich versuche sie zu verwirklichen.

Liebe Grüße, Radoslaw Lydkowski