St. Bonifatius Wiesbaden

Theologie Spiritualität

Fastnacht

Fassenacht, Fastenzeit oder Zeit für etwas anderes?

Gemeindebrief, Theologie SpiritualitätPhilippe Jaeck

Was für eine Fassenacht werden wir dieses Jahr feiern?

Die Fassenacht soll auch dieses Jahr wieder wegen Corona abgesagt werden, so haben wir es vor Weihnachten 2021 von Karl Lauterbach, unserem Gesundheitsminister, gehört. Er empfiehlt einen „Sommer-Karneval“. Seine Idee ist gut, aber die Fastnacht gehört vor die Fastenzeit, denn, wie es der Begriff schon sagt: Es ist die Phase vor der österlichen Bußzeit. Und der Begriff Karneval, welcher sich aus den beiden lateinischen Worten carne vale, zu deutsch „Fleisch – lebe wohl“, zusammensetzt, zeigt an, dass sich nach dem Karneval der Verzicht anschließt.

Vielleicht fragt sich der ein oder die andere nun, worauf man noch verzichten soll, wenn man auf die letzten drei Jahre zurückblickt. Die Coronajahre haben Entbehrung bedeutet. Kein sozialer Kontakt, keine Reisen, nicht Essen gehen, und wir konnten zeitweise bei Gottesdiensten, wie wir schmerzlich erfahren mussten, wenn überhaupt, nur über Livestream dabei sein. Vor der Rückkehr zu solch einer Situation haben viele, wo es jetzt besser geworden ist, Angst. Dann sind da noch die Erfahrungen von Verlust des eigenen Arbeitsplatzes, der Gesundheit und nicht zuletzt lieber Menschen, die im Sterben nicht begleitet werden konnten. All das prägt und macht nachdenklich.

Doch das Fasten gibt es noch, auch in Zeiten von Corona. Meine Nachbarn, äthiopisch-orthodoxe Christen aus der Gemeinde St. Georgios, die in der evangelischen Ringkirche ihre Gottesdienste feiern, haben 30 Tage lang gefastet und sich auf ihr Weihnachtsfest am 6. Januar vorbereitet. Dabei haben sie sich vegan ernährt. Diese Art des Fastens ist bei ihnen kein moderner Trend, wie ihn andere leben. Ihnen geht es darum, sich auf das Kommen Gottes vorzubereiten. Begleitet wird dies, sofern möglich, durch den regelmäßigen Besuch von Gottesdiensten. Und ja – das Fasten tut ihnen auch gut, wie sie mir gesagt haben. Auch ich habe eine Erfahrung zum Fasten gemacht. Weil ich mich erkältet hatte und Kaffee in so einer Situation nicht zuträglich ist, habe ich auf ihn freiwillig verzichtet. Wer mich kennt, der weiß, dass dies für mich etwas besonderes ist. Als es mir nach einer Woche wieder besser ging, habe ich wieder begonnen Kaffee zu trinken. Und siehe da – ich habe den Geschmack des Kaffees intensiver erlebt und ich war sehr dankbar.

Die oben genannten Beispiele zeigen mir, wie das Fasten dazu verhilft, sich zu fokussieren. Dadurch werden Dinge bewusster und es kann Dankbarkeit entstehen. Wenn wir uns erinnern, wie schön es war, als wir für die Gottesdienste wieder zusammenkommen konnten. Wie schön es war, nach einer Zeit des Verzichts, wieder zu singen. In der Coronapandemie haben viele gemerkt, wie wichtig ihre sozialen Kontakte sind. Der ein oder die andere wurde dankbarer. Bald, ab dem 2. März, steht wieder die 40-tägige Fastenzeit vor der Tür. Vielleicht bietet sich hier die Gelegenheit, bewusst auf etwas zu verzichten, um frei zu sein von dieser Bindung, um neue Möglichkeiten zu erkennen, um sich über etwas mehr bewusst zu werden. Vielleicht ist es auch die Gelegenheit, die Beziehung zu Gott mehr zu festigen oder zu vertiefen.

Doch im Kapitel 3 des Buches Kohelet heißt es:

Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:

eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen,
eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz;
eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen,
eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren,
eine Zeit zum Behalten und eine Zeit zum Wegwerfen,
eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden,

Deshalb dürfen wir unsere Zeit, die wir haben, nutzen - sei es die Fassenacht, die Fastenzeit oder auch ein andere Art von Zeit. All diese Zeiten wurden uns geschenkt. Sie sind wertvoll und gut. Gott hält unsere Zeit in seinen Händen. So wünsche ich Ihnen eine gute Zeit, welche es auch sei.

Carola Müller, Gemeindereferentin